Die Aufsteigerin
presste
sie sich an ihn, denn auch sie brauchte Trost. Sie gab seinen Küssen nach, genoss es, wie sich seine Lippen auf ihrem Gesicht anfühlten, genoss es, seine Hände auf der Haut zu spüren, als er ihr das Negligé von den Schultern streifte.
Sex war für Cathy identisch mit dem Wunsch nach Sicherheit und hatte nichts mit dem animalischen Trieb zu tun. Aber sie sehnte sich im Augenblick zu sehr danach, geliebt zu werden, und ließ Tommy gewähren. Er bettete sie sanft auf den Teppich, und sie öffnete die Beine, bevor sie ihn gekonnt auf sich zog, als hätte sie nie etwas anderes getan. Instinktiv wusste sie, was er wollte, und bot es ihm. Sie hob ihm die Hüften entgegen und empfing jeden seiner Stöße, als seien sie in der körperlichen Liebe eingespielte Partner. Die Befriedigung, die sie im Geben und Nehmen fanden, ließ ihre Tränen trocknen.
Als er in ihr kam, streichelte Cathy sein Gesicht und flüsterte ihm Liebesworte ins Ohr.
Hinterher, als sich langsam die Dunkelheit senkte, lagen sie beieinander und redeten, wie sie es bisher noch nie getan hatten. Sie sprachen von Joey, von Desrae und von ihrer Kindheit. Sie redeten sich ein, wieder ganz normale Menschen zu sein, und versuchten, das schreckliche Ereignis zu bewältigen, das sie betroffen hatte.
Tommy wurde klar, dass er Cathy Duke liebte, sie schon immer geliebt hatte. Aber ihm war auch klar, dass sie am Ende der Nacht wieder die gewohnt eigenständige Frau sein würde. Insgeheim gestand er sich ein, dass dieses Gefühl der Nähe zu dem Mädchen mit den großen blauen Augen und dem eigentümlichen Verhältnis zum Sex und zu Männern den Tod seines Vaters beinahe wert gewesen war. Joey Pasquales Tod hatte ihm das Glück geschenkt, von seiner Cathy gestreichelt und geliebt zu werden.
Als die ersten Strahlen der Morgensonne ihre nackten Körper streiften, stand Cathy auf und zog sich an.
Sie machte eine große Kanne Kaffee, trug sie ins Wohnzimmer
und weckte den Mann, dem sie sich jetzt so viel näher fühlte. Als er seinen Kaffee schlürfte, erkannte Cathy, dass es den ängstlichen und verschreckten Jungen nicht mehr gab, sondern dass an seine Stelle ein erbitterter Mann getreten war, der seinen Vater gnadenlos und auf gewaltsame Weise rächen wollte.
»Was wirst du jetzt tun, Tommy?«, fragte sie.
Er lächelte verbissen. »Ich werde diesen Hundesohn O’Hara jagen und ihn kaltmachen, sobald ich ihn finde.«
Das hatte sie erwartet, aber es bekümmerte sie dennoch. Tommy hatte bis dahin den großen Gangster gespielt; jetzt musste er beweisen, dass er auch einer sein konnte. Sie ahnte, dass es ihm leichtfallen würde.
Schließlich war er seines Vaters Sohn.
Desrae öffnete die Augen und sah sich um. Ihm war übel und er ahnte, dass etwas Furchtbares passiert sein musste. Tränen liefen ihm übers Gesicht. Während der Nacht hatte ihm eine der Schwestern das Make-up und die falschen Wimpern entfernt. Er wusste also, dass er im grellen Licht wie ein Mann aussah und so alt, wie er wirklich war.
Er versuchte sich aufzusetzen. Eine kleine schottische Krankenschwester erschien an seiner Bettkante und fragte freundlich: »Möchten Sie etwas trinken?«
Desrae nickte nur, denn die Tränen ließen ihn verstummen. Am liebsten hätte er Schmerz und Angst laut hinausgeschrien. Angestarrt von den vielen anderen Patienten auf der Station, kam er sich vor wie ein gefangenes Tier.
»Habt ihr nicht genug gesehen, ihr hässlichen Vögel? Wie gefällt er euch denn, der Freak? Liefert euch hoffentlich Gesprächsstoff für die Besuchszeit. Wichser …«
Desrae tobte und fluchte, bis der Arzt ihm eine Spritze gab, und sein letzter bewusster Gedanke galt Joey, der bestimmt über ihn gelacht hätte, weil er einmal in seinem Leben wie ein Mann gesprochen hatte.
Als er abends aufwachte, lag er in einem kleinen Privatzimmer, und Cathy saß bei ihm am Bett. Sie hielt seine Hand, und Desrae lächelte sie dankbar an, bevor er wieder zu weinen anfing. »Sie haben ihn umgebracht … dieser Abschaum aus Liverpool hat ihn ermordet. Was soll ich nur ohne ihn tun, Cathy?«
Sie sagte mit fester Stimme: »Na ja, zuerst ziehst du dich an und kommst mit mir nach Hause. Gates wartet schon. Sag einfach, du weißt von nichts. Tommy hat alles im Griff, okay?«
Desrae nickte, leicht konsterniert über den geschäftsmäßigen Ton, den Cathy anschlug. »Du klingst so anders, Süße, du machst mir Angst.«
»Wir stecken tief in der Patsche, Desrae. Die Kerle aus Liverpool
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