Die Aufsteigerin
verächtlich. »Mach dir nichts vor, Bürschchen. Es braucht schon einen ganzen Mann, um mich zu beeindrucken, und so einen seh ich weit und breit nicht.« Sie bemerkte, dass er vor Wut blass wurde, und wusste, dass sie zu weit gegangen war. Trotzdem blieb sie standhaft.
Die Männer hatten anscheinend strikte Order, was sie tun durften und was nicht. Sie gingen mitsamt dem Geld, und Cathy ließ sich in Desraes grellrosa Sessel fallen. Noch schlug ihr Herz wie wild, und sie versuchte, sich zu beruhigen. Im Moment ging alles schief. Mit Joeys Tod waren anscheinend alle ihre Sicherheitsvorkehrungen außer Kraft gesetzt. Ein bedrückender Gedanke.
Cathy riss sich zusammen und ging nach unten in den Club. Dort griff sie zum Telefon, um Susan P. ins Bild zu setzen.
Es dauerte keine zehn Minuten, und Gates war bei ihr. Susan musste wohl sofort Kontakt mit ihm aufgenommen haben.
»Was haben sie mitgenommen?«, wollte er wissen.
»Nur das Geld aus dem Safe - aber glauben Sie bloß nicht, dass ich Anzeige erstatten will«, scherzte Cathy.
Richard lachte. »Hätte ich mir aber beinahe gedacht. Ich will nur wissen, was hier läuft. Das ist alles.«
Cathy zuckte die Achseln. »Das würde ich auch gern wissen.« Er beobachte sie dabei, wie sie ihnen mit zitternden Hände Kaffee machte.
»Desrae und ich sind in Gefahr, oder?«
Er nickte. »Ja, Kleines, ihr seid in Gefahr, bis wir diesem Wichser aus Liverpool das Handwerk gelegt haben.«
Cathy schlürfte ihren heißen Kaffee, den Gates mit einem Schuss Brandy angereichert hatte. Immer wenn ihr etwas Schlimmes passierte, war dieser Mann zur Stelle, um die Situation zu bereinigen. Sie war ihm dafür sehr dankbar. Er gab ihr das Gefühl der Sicherheit, als könne niemand und nichts ihr
Schaden zufügen, solange sie bei ihm war. Ihr wurde klar, dass ihm wahrhaftig viel an ihr gelegen war, und sie lächelte in sich hinein.
Ein weiterer väterlicher Freund wie Joey - in dieser Hinsicht war sie vom Glück verwöhnt.
Als Richard Gates sie in diesem Moment betrachtete, waren seine Gedanken jedoch alles andere als väterlich.
Zu Hause stellte Cathy zu ihrer Freude fest, dass Susan P. bei Desrae saß. Die »Mädels« waren gegangen.
»Der Arzt war da und hat ihm noch eine Spritze gegeben. Ich glaube, er sollte sich lieber hinlegen, denn vorhin ist er nochmal umgekippt«, berichtete Susan.
Sie brachten den benebelten und daher umso fügsameren Desrae ins Bett und setzten sich dann ins Wohnzimmer. Jetzt erzählte Cathy, was im Club geschehen war. Damit hatte sie Desrae nicht beunruhigen wollen.
»Dieser O’Hare muss ausgeschaltet werden, und zwar schnell«, sagte die andere Frau. »Wenn er kriegt, was er will, werd ich mich sowieso mit ihm herumschlagen müssen - es sei denn, ich bring ihn vorher um. Was ich liebend gern tun würde, verstehst du?«
»Als wär die ganze Welt verrückt geworden.« Cathy schüttelte sich. »Aber eins kann ich Ihnen sagen - wenn Tommy was passiert oder einem anderen, dann bring ich den Kerl um.«
Susan musste ein Lachen unterdrücken. Der Gedanke, dass die kleine Cathy jemanden umbrachte, war absurd, aber sie wusste doch, dass die Kleine dazu fähig sein könnte, wenn die Umstände es erforderten.
»Hör zu, Kleine, dieser Mann ist brandgefährlich. Gib du auf Desrae acht und überlass uns alles andere. Tommy wird ganz bestimmt nicht nur dasitzen und Däumchen drehen.«
»Und wenn er nichts ausrichten kann?«, fragte Cathy besorgt. »Dieser Mann hat doch schon Joey umbringen lassen, und wer
hätte das für möglich gehalten? Wenn er Joey ausschalten kann, glaubt er doch bestimmt, er kann machen, was er will. Und das macht mir Angst. Er hat den Norden und jetzt will er den Süden - wenigstens hat Tommy das gesagt.«
Susan P. seufzte. »Hör zu. Tommy ist nicht auf den Kopf gefallen. Er wird alles in den Griff kriegen, glaub mir. Kümmere dich um Desrae und überlass uns die Planung. Wir wissen, womit wir es zu tun haben, und sind es gewohnt, Probleme dieser Art zu lösen. Das ist Alltag in Soho.«
Cathy nickte und behielt ihre Meinung für sich. Wenn dieser O’Hare Krieg wollte, dann sollte er ihn haben. Sie war bereit.
Flinty war ein kleiner, aber kräftiger Kerl, und als Spitzel berüchtigt. Er kannte jeden und wusste alles über jeden. Niemand wusste seinen wahren Namen, und er selbst hatte ihn wohl auch vergessen. Er war fünfundsechzig, alle naslang im Knast und wieder draußen wegen Bagatelldelikten, und er hielt Augen und Ohren
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