Die Aufsteigerin
Ein geheucheltes Lächeln, hinter dem so viel Hass zu ahnen war, dass er kurz die Fassung verlor.
»So pampig, wie du immer bist, Cathy, schneidest du dir nur ins eigene Fleisch.« Madge hatte noch mehr zu sagen: »Wenn du mal ein freundliches Wort hättest für die Leute, das würde sich bezahlt machen. Denk an den Mann neulich - eine Halfcrown hat er dir gegeben!« Sie sah Ron an und sagte verbittert: »Er soll sich das Geld sonst wohin stecken, hat sie gesagt.« Aus ihren nächsten Worten klangen gleichzeitig Stolz und Verdruss. »Ein gutes Mädchen ist sie. Die wird sich niemals von jemand was sagen lassen, mein Freund.«
Cathy steckte sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. Dann sagte sie mit gespielt einschmeichelnder Stimme: »Und, Rod, hast du Frau und Kinder? Vielleicht sogar Arbeit? Möchtest du, dass ich so bin, Mom? Der plappernde Teenager?«
Madge lachte aus vollem Herzen. »Du gehörst auf die Bühne, Cath. Bist echt ‘ne komische Pflanze, da geht kein Weg dran vorbei.«
»Um Ohrfeigen bettelt das Gör, Madge, und wenn ich ihr Vater wär, würde sie links und rechts welche kriegen.«
Madge fauchte ihn an. »Das wüsste ich aber, mein Freund! Wenn du auch nur die Hand hebst gegen meine Tochter, stech ich dich ab, ohne zu zögern.«
Der Mann musterte sie ausgiebig. »Das werd ich mir merken, Lady.«
Madge zündete sich eine Zigarette an. Sie sagte: »Nimm deine Jacke und verzieh dich. Ich seh dich dann später.« Ihre Stimme hatte die Schärfe verloren und klang schon beinahe leutselig.
Als Ron gegangen war, schenkte sie frischen Tee nach und sagte ergeben: »Wieder was getan, wieder was verdient.«
»Wie viel hast du?«, fragte Cathy ehrlich interessiert. »Ein paar Quid. Nicht der Rede wert. Wie geht’s dem jungen Eamonn?«
Cathy zuckte die Achseln. »So wie immer, Mom. Bevor man noch fragt, sagt er schon, seinem Vater geht es gut.«
Als Madge nickte, fiel Zigarettenasche auf ihren Unterrock, ihr einziges Kleidungsstück. Achtlos wischte sie die Asche weg. »Ich hab ihn geliebt, das weißt du, Cathy.« Ihre Stimme war ganz klein und klang verzagt.
Traurig sah Cathy sie an. Verlaufene Wimperntusche und verwischter Lippenstift ließen ihre Mutter fast wie einen Clown aussehen. Ihre Hand aufmunternd drückend, sagte Cathy: »Ich weiß, Mom. Das weiß ich.«
Madge schniefte. »Ich hab gestern Abend einen neuen Job gefunden. In ‘nem Neppladen in der Nähe von Soho.«
Cathy lächelte, obwohl ihr nicht danach war. »Warum denn das lange Gesicht, Mom? Ist doch ‘n Aufstieg.«
Madge lachte schrill. »Du hast ‘ne spitze Zunge, das muss man dir lassen.«
Cathy fuhr sich mit einer Bürste durch das dichte blonde Haar. »Warum suchst du dir nicht einen vernünftigen Job, Mom? Wie alle anderen auch.«
Madge schüttelte den Kopf und erwiderte hitzig: »Lieber nehm ich mir ‘nen Strick! Fang bloß nicht wieder mit der alten Leier an. Fein stünden wir da, mit drei Quid die Woche zum Leben. Hast du daran mal gedacht?«
»Andere Leute kommen auch damit aus.«
»Ich bin aber nicht andere Leute. Und sowieso - mir gefällt mein Job.«
Cathy zog ihre Schuljacke an und gab ihrer Mutter einen Kuss. »Das ist es ja. Er gefällt dir zu gut. Bis heute Abend dann.«
Madge schwang auf ihrem Stuhl herum. »Bevor du losrennst - was sagst du zu Ron?«
Cathy zuckte die Achseln. »Wieso?«
»Ich glaub, er würde schon gern einziehen. Von ihm hab ich auch den neuen Job.«
In Cathys Gesicht stand der blanke Horror, als sie sagte: »Mom! Den lässt du doch nicht etwa einziehen, oder? Er ist grässlich.«
»Nein, ist er nicht. Er ist ein Mann, das ist er. Und das willst du ihm doch wohl nicht vorwerfen, oder? Na ja, noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Vielleicht überleg ich mir’s noch anders.«
»Das will ich hoffen, Mom. Ich hab es satt, dass die Typen in meinem Schlafzimmer ein und aus gehen, und du weißt, das kommt dabei raus. Ist doch immer so.«
Ihre Mutter grinste vielsagend. »Du könntest uns ein Vermögen verdienen, Cathy. Du bist langsam reif dafür.«
Das Mädchen wurde blass. »Das ist doch nicht dein Ernst, oder?«
»‘türlich nicht, dummes Huhn. Ich zieh dich doch nur auf.«
Cathy stürzte aus der Wohnung und schlug die Tür hinter sich zu. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals.
In letzter Zeit machte ihre Mutter zu diesem Thema immer
öfter Witze, die Cathy gar nicht komisch fand. Im Grunde wusste sie nämlich, dass die Drohungen ernst zu nehmen waren. Vorm Einschlafen
Weitere Kostenlose Bücher