Die Aufsteigerin
ihrer Mutter, sagte sie laut und voller Nachdruck: »Genug! Ich will, dass ihr beide verschwindet - auf der Stelle.« Sie nahm die Jacken der Männer von der Sofalehne und warf sie auf den Boden.
»Wie bitte?« Der große dünne Mann klang verblüfft.
»Du hast richtig gehört. Bist du etwa nicht nur dämlich, sondern auch noch taub? Ich sagte raus.«
»Du kannst was an die Ohren kriegen, junge Da …«
Aber Ron wurde unterbrochen von Madge. »Wenn hier jemand Ohrfeigen austeilt, Freundchen, dann bin ich es! Und jetzt, Cathy, siehst du zu, dass du wieder ins Bett kommst. Um die beiden Herren hier kümmere ich mich.«
Das Mädchen knirschte mit den Zähnen. »Ich will, dass sie abhauen, Mom.«
Madge stand auf. Sie warf sich in die ausladende Brust und sagte bedeutungsschwer: »Was du willst und was du bekommst, sind zwei verschiedene Dinge. Und jetzt ins Bett mit dir. Ich seh dich dann morgen früh. Okay?«
Ihr Blick sagte alles, und Cathy drehte sich abrupt um. Sie ging aus dem Zimmer. Der große Mann stand in der Tür, und sie musste sich an ihm vorbeiquetschen.
Er grinste sie an und hauchte ihr seinen stinkenden Atem ins Gesicht, als sie flüchtete. »Dich seh ich wieder, Süße.«
Sie rief über die Schulter: »Nicht wenn ich dich zuerst sehe, Mister!« Sie knallte die Schlafzimmertür zu und verkeilte mit viel Aufwand einen Stuhl unter der Klinke.
Dergleichen passierte fast jede Nacht, und sie hasste es. In den letzten paar Wochen war sie zweimal von Männern belästigt worden, die sie zu betatschen versuchten, oder aufgewacht, weil
jemand sie mit lüsternen Blicken angierte. Das war nicht mehr witzig. Cathy hatte sich vor langer Zeit mit der Lebensweise ihrer Mutter abgefunden. Wenn die anderen Kinder sie deswegen verspotteten, prallte das an ihr ab. Aber je mehr sie selbst zur Frau wurde, desto mehr veränderte sich die Situation und wurde beängstigend. Denn Cathy wusste im tiefsten Herzen, dass Madge, wenn nur genug Geld winkte, versuchen würde, ihre Tochter zu überreden, auch in dieses »Leben« einzusteigen - etwas, das Cathy ganz und gar nicht wollte. Madge Connor konnte ihren Widerwillen nicht verstehen. Für Madge waren die Männer dazu da, abgezockt und ausgenommen zu werden. Und wenn sie eine Gegenleistung verlangten, was war schon schlimm daran?
Erinnerungen an die Zeit als kleines Mädchen überkamen Cathy. Männliche Besucher, die sie auf den Schoß nahmen, und Madge hatte nichts anderes zu tun gehabt, als schrill zu lachen und sich noch einen Drink zu gönnen. Cathy entsann sich allzu genau der verzweifelten Versuche, sich den kratzenden Bärten und sabbernden Lippen zu entwinden. Der Gedanke ließ sie erschaudern.
So schlimm Eamonn Senior auch gewesen sein mochte, solche Sachen hatte er bei ihr nie versucht, sondern nur ihr Freund sein wollen. Irgendwie fehlte er ihr. Zumindest war sie bei ihm sicher gewesen, und Eamonn, ihr Eamonn, war auch da gewesen. Jetzt schien sie ihn nur wiedergewinnen zu können, indem sie sich ihm hingab, ihn haben ließ, was er wollte. Gefühle übermannten sie, Tränen brannten in ihren Augen, und sie fragte sich, was nur werden sollte.
Cathy saß am Küchentisch, vor sich den kleinen Spiegel mit dem Plastikrücken, der an der Teekanne lehnte. Sie machte sich sorgfältig das Gesicht zurecht, trank ab und zu einen Schluck vom süßen Tee und mampfte einen Toast. Als sie sich die Lippen anmalte, kam ihre Mutter in die Küche und schenkte zwei Tassen Tee ein, wodurch der kleine Spiegel umfiel.
»Ist er noch immer da?«, fragte Cathy leise.
Madge sah sie streng an. »Und wenn? Das hier ist meine Wohnung, Mädchen, nicht deine! Erinnerst du dich?«
»Wie könnte ich das vergessen? Übrigens beschwert sich Mrs. Carter von nebenan wieder beim Hauswirt. Hat sie mir gesagt, als ich die Milch reingeholt hab.«
Madge gähnte. Die Zunge im klaffenden Mund sah aus wie eine gelbe Schlange. »Scheiß auf die blöde alte Kuh!« Sie ging zur Tür und rief: »Tee fertig! Frühstück kostet extra!«
Der große dünne Mann, der jetzt in die Küche kam, hatte bis auf seine Hosen nichts an. Die Hosenträger baumelten ihm um die Beine, und den Schlaf hatte er sich auch noch nicht aus den Augen gewischt. Cathy spürte, dass ihr allein schon von seinem Anblick der Toast hochkam.
»Trink deinen Tee und verpiss dich.« Ihre Stimme klang völlig emotionslos.
Madge lachte. »Sie mag dich, Ron. Normalerweise redet sie mit keinem.«
Der Mann grinste, und Cathy lächelte.
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