Die Aufsteigerin
Vergangenheit ein unbeschwertes Leben zu führen.
Bei dem Gedanken an Eamonn stellte sie sich auch vor, wie er sie körperlich nahm, und allein der Gedanke ließ sie stoßweise und keuchend atmen. Er hatte ja Recht, gestand sie sich ein. Sie war reif dafür. Nicht reif war sie jedoch für ein Kind, eine Wohnung wie diese hier und das harte Leben der Frauen in ihrer Umgebung. Die alterten frühzeitig und produzierten ihre Kinder wie am Fließband.
Sie, Cathy Connor, würde auf allen Hochzeiten tanzen. So viel stand fest!
Beim Scheuern stimmte sie fröhlich in die Songs der Crystals ein.
»Wer zum Teufel sitzt denn da hinten an meinem Tresen?«
Jessie Houston war schockiert, und Madges Gesicht erstarrte, als die Worte, die ihr galten, durch den kleinen Barraum hallten.
»Hast du deinen verschissenen Verstand verloren, Ron? Ich hab in zerbombten Häusern schon hübschere Trümmer gesehen!«
Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und versuchte, seine Schwägerin zu besänftigen. »Lass gut sein, Jess.«
Jessie, ein Bündel purer Bosheit, sah ihm ins Gesicht und kreischte: »Ich denk nicht dran! Raus mit ihr! Raus mit diesem Dreck. Ich weiß wohl, dass manche von unseren Mädels nicht mehr die jüngsten sind, aber wenigstens sind sie keine Dockschwalben. Aber die da ist eine von Kopf bis Fuß. Das hab ich schon gerochen, bevor sie ihren Schnabel zur Tür reingesteckt hat.« Sie sah zu Madge hinüber und sagte mit ruhigerer Stimme: »Nichts für ungut, aber ich kann dich hier nicht brauchen, tut mir leid. Die anderen Mädels werden bald aufkreuzen, und die drehen durch.«
Madge schluckte die Erniedrigung runter und sah Ron herausfordernd an.
»Sie bleibt - und das ist mein letztes Wort«, warf er ein.
Jessie schlug mit der Faust auf den Tresen. An Ron gewandt schrie sie: »Dann musst du den Laden allein schmeißen! Ich mach mich doch nicht zum Narren. Selbst wenn wir sie anstellen, wer von den Gästen würde so eine nehmen? Mann Gottes, guck sie doch an, Ron!«
Ron, der dieser hitzköpfigen kleinen Frau meistens ihren Willen ließ, zischte: »Sie bleibt, Jessie - verstanden? Mir gehört die Hälfte von diesem Club. Das solltest du nie vergessen.«
Jessies Gesicht war kreidebleich vor Wut. Als ihr Mann gestorben war, hatte sie sich dem Geschäft mit der käuflichen Liebe zugewandt und ebenso wie Ron mit Erleichterung festgestellt, dass sie eine natürliche Begabung dafür mitbrachte. Kinderlos und ohne alle Skrupel hatte Jessie darin ihre Berufung gefunden. Es gab nur ein Problem: Früher hatte sie über ihren Ehemann geherrscht, und jetzt gebot sie über Ron und das kleine Reich, das sie aufgebaut hatten.
Sogar die schweren Jungs nahmen sich in Acht vor Jessie. Man brauchte sie nur anzusehen, um sofort zu wissen, dass sie zu allem imstande war. Sie konnte einen Zweizentnermann ohne viel Federlesens vor die Tür setzen, konnte Drinks ausschenken und die Mädels zählen, ohne lange hinzuschauen.
Rons Bruder Danny war der Kopf des Unternehmens gewesen. Jessie hatte mühelos da angeknüpft, wo er aufgehört hatte.
Dies war das erste Mal, dass Ron versucht hatte, sich durchzusetzen, und genau genommen war es nicht so sehr Madge, über die sich Jessie ärgerte, sondern die Tatsache, dass Ron sich anmaßte, eine eigene Entscheidung zu fällen. Sie bestand darauf, uneingeschränkt das Sagen zu haben. So war sie eben.
»Komm schon, Jessie, tu mir den Gefallen, Kleines.« Vor lauter Verzweiflung verlegte Ron sich jetzt aufs Schmeicheln.
Jessie holte tief Luft. Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe von knapp einem Meter sechzig auf und sagte: »Auf deine Kappe, Ron. Du reitest darauf rum, dass die Hälfte von dem Laden dir gehört, aber wenn du ab und zu auch mal ‘n Finger krummmachen würdest, wär ich schon eher bereit, deinen Standpunkt zu teilen …«
Sie moserte weiter, und er lächelte Madge zu, eine Augenbraue triumphierend hochgezogen.
Madge sah von ihm zu Jessie und registrierte die Beleidigungen zwecks zukünftiger Berücksichtigung. Jessie hätte nicht so dumm sein sollen, über eine Dockschwalbe herzuziehen. Die Dirnen von den Docks vergaßen nämlich nie.
Jessie ging ins Hinterzimmer, wo um Geld gespielt werden sollte, und Ron schenkte Madge einen Schuss steifen Rum ein.
»Die ist in Ordnung, Madge. Kümmer dich nicht um sie. Sie ist immer so, aber denkt sich nicht viel dabei. Wenn die anderen Mädels kommen, wirst du sehen, dass ich Recht habe. Hier geht es nur darum, die Freier zum
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