Die Aufsteigerin
ihre blauen Augen weiteten.
»Du machst Witze! Meine Güte, sag mir, dass du Witze machst!«
Er ging ins Vorderzimmer, ließ sich aufs Sofa fallen und streckte die Beine aus. Selbstgefällig markierte er den starken Mann.
»Kein Witz, Cathy, mein Schatz. Er hat darum gebettelt, und er hat’s bekommen, Kleine, mitten in die Fresse.« Eamonn streckte den Zeigefinger aus wie den Lauf einer Pistole, richtete ihn auf sie und machte »Peng, peng«. Dann sagte er: »War ganz einfach, Kleine. Wie Haarekämmen, so einfach war das:«
Cathy sah ihn an, überzeugt, dass sie nur träumte. »Du bist doch verrückt. Willst du mich foppen? Wenn, dann find ich’s gar nicht witzig, Eamonn. Das ist doch krank. Jemanden zu erschießen … und was kommt als Nächstes?« Sie wollte lachen, obwohl sie doch die ganze Zeit wusste, dass er die Wahrheit sagte. Dennoch konnte sie einfach nicht glauben, dass er es wirklich getan hatte.
Jetzt lachte Eamonn, lachte wirklich los. »Ich hab’s geschafft, Cath - verstehst du denn nicht? Meine Feuertaufe, Mädchen, ich bin ganz oben und ein gemachter Mann.« Er setzte sich mit einem Ruck auf, sah ihr in die Augen und sagte: »Es geht voran, Cath.«
Cathy schüttelte so heftig den Kopf, dass ihr die Haare um die Nase flogen. »Du bist nirgends, du dämlicher Idiot, außer vielleicht auf dem Weg zum verschissenen Galgen, wo sie dir die Schlinge um den Hals legen. James Carter war fünfzehn Jahre alt! Fünfzehn, hörst du? Wir sind noch Kids, Eamonn - Kids .
Wir glauben, wir wissen schon alles, aber vom echten Leben haben wir keine Ahnung. Du erzählst mir, du hast ihm das Leben genommen, und lachst, als wär’s ein Witz oder so?« Ihre Stimme versagte, als sie gegen die Tränen ankämpfte.
»James Carter war noch schlimmer dran als wir - der älteste von neun Kindern, und seine Mutter war drauf angewiesen, dass er Geld nach Hause brachte. Du denkst, du weißt alles, aber verflucht gar nichts weißt du. Dir geht’s immer nur um dich , Eamonn, darum, was du willst. Nur, was du willst. Und was kommt dabei raus? Den armen James Carter hast du erschossen. Er ist tot, und von mir willst du jetzt ein Alibi. Deswegen bist du doch hier, oder?«
Eamonn starrte das kleine Mädchen an, das vor ihm stand. In den wildesten Träumen hätte er diese Reaktion nicht erwartet. Gut, er hatte damit gerechnet, dass sie sich etwas aufregen würde, aber ganz sicher würde sie doch verstehen können, warum er es getan hatte.
Ratlosigkeit war heraushören, als er mit rauer Stimme sagte: »Ich weiß also nichts, hä? Ich weiß genug. Ich weiß genau, als Schiffsarbeiter kann ich nicht erreichen, was ich will. Ich will das, was die richtige Welt hat. Die richtigen Leute. Ich will Autos und schicke Sachen zum Anziehen und ein hübsches Haus. Ich will die Straße entlanggehen und gegrüßt werden wie ein Mann, dem Respekt gebührt, nicht wie der Sohn eines besoffenen irischen Hafenarbeiters. Ich will verdammt nochmal mit erhobenem Kopf gehen. Ich will, dass die Leute zu mir aufsehen, Cathy. Ich will, was jeder andere Arsch mit in die Wiege kriegt - ich will jemand sein . Jemand, der was bedeutet.
Scheiß doch auf James Carter! Ein andermal, und mich hätte die Kugel getroffen statt ihn. Er wollte, was ich wollte, Süße, und genau wie ich hätte er alles getan, um es zu kriegen.«
Cathy blickte hinunter in das Gesicht, dass sie so liebte. Sah die hellen Flecken in seinen Augen und die dunklen Schatten auf seinen Wangen. Sah die kräftige Stirn und das energische Kinn,
die sein markantes Gesicht prägten. Traurig schüttelte sie den Kopf und schluckte hinunter, was sie eigentlich sagen wollte. Was sie ihm am liebsten ins Gesicht geschrien hätte.
Eamonn lehnte sich zurück, fummelte an einem kleinen Riss im Bezug der Armlehne und zupfte Büschel Rosshaar hervor. Dass seine Hand dabei zitterte, entging weder ihm noch ihr.
»Was willst du, Cathy? Willst du enden wie deine Mutter, für jeden x-beliebigen Tom, Dick oder Harry für ein paar Pfund die Beine breitmachen? Das wird dir nämlich passieren, wenn du nicht aufpasst. Wie viele Frauen hier gehen nebenbei auf den Strich, äh? Sogenannte ehrbare Frauen mit Kindern und Ehemann. Die ziehen über Madge her, sind aber keinen Deut besser. Keine von denen. Wenn du dich hier umsiehst, dann weißt du, was mal aus uns wird, wenn wir nichts unternehmen. Menschen wie wir sind die Hundescheiße an anderer Leute Schuhsohle. Wir sind die Gauner, die Langfinger, die Schlampen und
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