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Die Aufsteigerin

Titel: Die Aufsteigerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Cole
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Idiot, Junge, wenn du meinst, du kommst damit davon.«
    Eamonn lachte. »Bin ich aber schon, Dad. Ist eine Woche her, und weit und breit von Old Bill nichts zu sehen. Die Bullen kümmert doch einer wie Carter einen Dreck, ebenso wie wir ihnen scheißegal sind. Es stand im Evening Standard , und seitdem keine verdammte Zeile mehr. Außer im Lokalteil natürlich. Ja, man hat mir sogar einen Job angeboten.«
    Das abfällige Schnauben seines Vaters ließ Eamonn erstarren.
    »Einen Job? Und was für ein Job soll das sein? Alte Frauen mit dem Knüppel niederschlagen, um ihnen ihre kümmerliche Rente zu stehlen? Bewaffneter Raubüberfall? Oder vielleicht ein hübscher sauberer Job irgendwo als Aufpasser, genau richtig für einen hartgesottenen Sechzehnjährigen. Teufel auch, mir reicht’s!«
    Eamonn sah seinen Vater in einen Sessel sinken. Von einer Sekunde zur anderen war er ein alter Mann geworden. Die mürrische Großspurigkeit, die für ihn so charakteristisch war, fehlte ganz. Er schien sich geschlagen zu geben. Diese Veränderung bei seinem Gegner machte den Jungen jedoch nicht froh, sondern sie tat ihm weh. Trotz all seiner Fehler, ob nun real oder nur nachgesagt, war sein Vater für ihn immer der Inbegriff des starken Mannes gewesen. Jetzt stellte er fest, dass dieser starke Mann auf wackligen Beinen stand und nicht das geringste Verständnis für die Handlungen seines Sohnes aufbrachte. Das schmerzte.

    »Dixon hat mir einen Job angeboten. Ist nicht mehr als Miete kassieren, aber ein Anfang. Ich werd ganz groß rauskommen, da bin ich sicher.«
    Eamonn betrachtete seinen Sohn, nahm dessen Körpergröße und attraktives Aussehen wahr, aber eben auch den offenkundigen Mangel an Intelligenz.
    »Mieten kassieren, äh? Sehr einträglicher Job. Das heißt, wenn sie dich nicht erwischen, natürlich, oder du mit jemandem Streit kriegst.«
    Der große Mann beugte sich aus seinem Sessel vor und redete beschwörend auf seinen Sohn ein: »Das ist es, was du wirklich willst? Ich wollte, dass aus dir jemand wird, ein normaler Mensch. Ich wollte nicht, dass du endest wie ich. Ich dachte, dass du verachtest, was ich war, was aus mir geworden ist? Ich dachte, dass du Besseres im Sinn hattest.«
    »Hab ich auch, Dad. Und deswegen nehm ich den Job an. Ich werde meine Tage nicht beschließen wie du, Kumpel, mich von ‘ner kleinen Witwe aushalten lassen und den letzten Penny aus ihr rausquetschen. Nur dafür leben, dass der Pub endlich öffnet und vorher ein anständiges Abendessen auf dem Tisch steht. Du hast gemacht, was du dir vorgenommen hattest, Dad. Mich hast du angespornt, mehr zu wollen als das, und das hier ist der einzige Weg, es zu kriegen.«
    »Spürst du denn gar keine Reue, Sohn? Dass du dem jungen Burschen das Leben genommen hast?«
    Eamonn zuckte wieder die Achseln. »Nein, eigentlich nicht. Warum sollte ich auch? Wenn’s andersrum gekommen wär, hätte er’s auch nicht bereut. Ich bin fast siebzehn, Dad, ein erwachsener Mann. Was du denkst, ist mir egal. Das Komische ist, es war mir schon immer egal. Du bist mir völlig egal, Alter. Du bist allen egal außer dir selbst. Hast eine hohe Meinung von dir, hast du schon immer gehabt. Aber ich hab dich schon immer als das gesehen, was du warst - ein überlebensgroßer irischer Schmarotzer. Du hast dich von Madge aushalten lassen. Was sie an
Geld brachte, hast du in den Pub getragen. Sie hat mit anderen Männern geschlafen, und du hast mit ihr geschlafen, obwohl du’s wusstest. Ich hab mehr Achtung vor ihr als vor dir, Dad. Weil Madge bei all ihren Fehlern niemals vorgegeben hat, was zu sein, was sie nicht war. Wenn du morgen früh tot umfallen würdest, hätte ich keine Träne für dich. So, jetzt weißt du Bescheid.«
    Der ältere Mann senkte den Kopf und starrte auf den Linoleumboden. Tränen brannten ihm in den Augen, und er blinzelte sie fort, bevor er seinem Sohn ins Gesicht sah.
    »Ich hab mein Bestes versucht, Eamonn, mein Sohn. Mehr als sein Bestes kann man nicht tun.«
    »Genau das will ich ja sagen. Was dem einen sein Bestes, reicht dem anderen noch lange nicht. Also jeder auf seine Weise, stimmt’s? Zum Wochenende zieh ich aus.«
    Als der Mann seinen Sohn aus dem Zimmer gehen sah, überwältigte ihn nicht nur die Einsamkeit, sondern ihn überkam auch das Gefühl, versagt zu haben. Er hatte sich ein anderes Leben für seinen Sohn gewünscht, und jetzt sah es so aus, als würde es tatsächlich ganz anders werden. Ein Trunkenbold war der Vater gewesen, ein

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