Die Aufsteigerin
Nichtsnutz und Schürzenjäger, aber kriminell war er niemals geworden - abgesehen von kleinen Diebstählen als Schauermann. Aber sein Sohn hatte jetzt mit sechzehn schon die Verbrecherlaufbahn eingeschlagen, indem er einen anderen Teenager ermordet hatte. Und das Morden würde damit nicht zu Ende sein, das wusste er. Von jetzt an würde Eamonn wie ein Verbrecher leben und auch sterben wie ein Verbrecher. Das würde sein Schicksal sein, und nichts und niemand auf Gottes Erdboden würde ihn davor bewahren können.
Madge war froh, und das hätte ihre Tochter überglücklich machen müssen. Stattdessen war Cathy verschlossen und nervös. Madge, die ihrer Tochter dabei zuschaute, wie sie Tee und Toast machte, bemerkte die dunklen Schatten unter deren Augen und die eingefallenen Wangen.
»Ist auch wirklich alles in Ordnung, Liebes?«
Cathy lächelte nachsichtig. »Zum tausendsten Mal, Mom, mir geht es gut. Hör auf, mich auszufragen. Ich bin nur müde, sonst nichts.«
»Es ist Eamonn, stimmt’s? Das hat doch was mit ihm zu tun. Die ganze Woche hängt er doch schon hier herum. Man sollte meinen, ihr wärt an der Hüfte zusammengewachsen.«
Cathy vermied es geflissentlich, ihre Mutter anzusehen, weil sie wusste, dass deren blaue Augen sie auf der Stelle durchschauen und ihre Gedanken lesen würden. Man mochte von Madge Connor halten, was man wollte: Sicher, sie vernachlässigte ihre Tochter bisweilen sträflich, aber wenn sie etwas von ihr wissen wollte, dann kriegte sie es auch raus.
»Ich weiß nicht, was du meinst, Mom. Ich war doch immer schon ganz oft mit ihm zusammen.«
»Na ja, für meinen Geschmack siehst du ihn zu oft, Mädchen. Ich weiß genau, was da läuft. Also versuch nicht, mich an der Nase herumzuführen. Wenn er Carter erledigt hat, dann ist er selbst so gut wie erledigt. Also halt dich von ihm fern, Kleines.«
Cathys stahlblaue Augen funkelten, als sie sich ihrer Mutter zuwandte. »Was weißt du denn schon? Er war bei mir, und wenn welche von der Schmiere an die Tür klopfen, dann erzähl ich ihnen dasselbe. Verdammt, Mom, von jedem anderen hätte ich’s erwartet, nur nicht von dir! Er war doch immer wie ein eigener Sohn für dich. Aber wenn sein Vater Ärger hätte, dann würdest du Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um ihm zu helfen.«
Madge schlürfte ihren Tee und griente, wodurch sie ihre aufgebrachte Tochter noch mehr reizte. »Sein Vater, mag er noch so ein Mistkerl sein, hätte sich diesen Ärger, wie du es so nett nennst, niemals eingebrockt. Der Junge jedenfalls ist der geborene Verbrecher. Je eher du das einsiehst, desto leichter wird dein Leben. Glaub mir, ich weiß genau, wovon ich rede. Dein Kerl ist kein Rotzlümmel mehr, sondern hat jetzt ein Gesicht, und ein Gesicht wird hier in der Gegend ganz schnell mal zu Brei geschlagen.
Lass dir das gesagt sein. Im Augenblick sind sie alle auf seiner Seite. Aber das kann sich über Nacht ändern. Du weißt doch, wie’s hier im East End zugeht. Dieser Carter-Bengel war Ire, und die Iren halten zusammen. Die sind anders als die Londoner.«
Cathy ließ die Fingergelenke knacken, ein deutliches Zeichen ihrer Anspannung. »Er ist auch Ire und alles, Mom, weißt du noch? Solltest du eigentlich, denn mit seinem Vater hast du’s doch lange genug getrieben.«
Madge grinste, und ihre gewohnt gute Laune kehrte zurück. »Wir sitzen heute wohl auf einem besonders hohen Ross, Fräulein, oder? Ist sowieso alles schnurz. Wenn die Schnüffler aufkreuzen, werd ich mich vor den Jungen stellen, das weißt du. Ich will nur nicht, dass du da zu sehr reingerätst. Ich weiß, dass ich nicht gerade die Mutter des Jahres bin, aber ich mach mir doch meine Gedanken um dich.«
Cathy hob ihre Teetasse und nahm einen Schluck. »Du bist echt ulkig, Mom. Eigentlich müsste ich dich hassen. Das tu ich manchmal auch, aber lange hält es nie an. Am Ende bringst du mich immer wieder zum Lachen. Manchmal denk ich schon, ich bin die Mom und du bist das Kind.«
Madge sah ihrer Tochter ins hübsche Gesicht und lächelte. Es war ein echtes Lächeln, das ihre groben Züge sanfter erscheinen ließ und die irischen Wangen rund und rosig machte.
»Die tollste Kindheit hattest du gewiss nicht, das weiß ich wohl, Süße. Aber ich bin nun mal, wie ich bin. Wie meine alte Mom zu sagen pflegte: ›Ich werd mich niemals ändern, solange ich ein Loch im Hintern hab.‹ Ich möchte ja nur, dass du weißt, wie kompliziert das Leben sein kann. Es ist nicht alles
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