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Die Aufsteigerin

Titel: Die Aufsteigerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Cole
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machte man daraus ein Heim für junge Frauen in schwieriger Lage, wie man ledige Mütter damals bezeichnete, bis es zur Verwahranstalt mit angeschlossener Schule für Kinder wurde, die wegen ihres Alters oder ihrer Geistesschwäche die angemessene Strafe für ihre Straftaten noch nicht in einem richtigen Gefängnis absitzen durften.
    Edward Blake hatte das Haus in großem Stil erbauen lassen, und es bot jede Menge Platz. Aber die inzwischen vergitterten Fenster ließen tagsüber fast kein Sonnenlicht herein, und in den Zimmern war es sogar im Hochsommer dunkel und kühl. Im Winter jedoch wurde es im Haus so kalt, dass die Fenster häufig von der Innenseite vereisten und regelmäßig die Wasserrohre platzten.
    Cathy traf dort Anfang Oktober ein, als es langsam kalt wurde. Nur zu Weihnachten und an anderen Feiertagen wurde im Speisesaal ein Kaminfeuer entfacht. Ansonsten mussten die geschundenen Mädchen frieren und hungern.
    Ihr Tag begann um sechs Uhr, und sie waren anschließend bis zur Bettzeit um sieben Uhr dreißig ununterbrochen beschäftigt. Im Winter waren sie froh über das Programm, im Sommer todunglücklich.
    Das Kreischen der Möwen und die Geräuschkulisse, die von
den Feriengästen verursacht wurde, waren ihnen eine Qual, und sie lauschten und träumten davon, dass auch sie einmal wieder zur Welt da draußen gehörten und in Deal ihren Spaß hatten.
    Cathy sollte noch nicht wissen, dass einige der Mädchen aus Denises Zirkel eine Möglichkeit gefunden hatten, die quälende Eintönigkeit nicht übermächtig werden zu lassen. Sie hatten dazu ein System entwickelt, und bald würde Cathy die Möglichkeit geboten, sich ebenfalls dieses Systems zu bedienen. Die Frage war nur, ob sie den Mumm haben würde, bei der Ausführung des gewagten Plans mitzuhalten, wie andere Mädchen es häufig getan hatten.
    Das blieb abzuwarten.
    Denise wollte sicherstellen, dass Cathy wirklich koscher war, bevor sie ihr den Ausweg bot.
    Cathy galt bereits als »A«-Mädchen, weil sie ganz oben unter dem Dach einquartiert war und nicht in einem der Schlafsäle im Mittelgeschoss. Dort befanden sich die ursprünglichen Schlafzimmer, die man zu größeren Räumen umgebaut hatte, in denen sich als Sanitäreinrichtung ausschließlich Spülbecken befanden. Für ihre Notdurft standen den Mädchen nur Eimer zur Verfügung, die sie morgens zu leeren hatten. Urin wurde direkt in die Spülbecken gelassen und runtergespült. In diesen Spülbecken mussten sich die Mädchen auch waschen, natürlich stets unter Aufsicht. Mädchen, die ihre Periode hatten, erfuhren keine Sonderbehandlung. Sie wuschen ihre »Monatsbinden« nach dem Gebrauch aus und trockneten sie, so gut es ging, auf der Handtuchstange.
    In den 1960ern und frühen 1970ern wurde über Bewahranstalten für Mädchen nicht gesprochen. Die meisten Menschen wussten nicht einmal, dass sie existierten. Viele der Mädchen wurden wegen geringfügiger Vergehen weggesperrt, die oft auf unmenschliche häusliche Umstände zurückzuführen waren. Sehr bald wurden sie ganz einfach vergessen, und das sogar von
den eigenen Familien. Problemkinder wurden eben ausgesondert, und das war’s dann.
    Cathy fühlte sich bald heimisch unter diesen Mädchen. Nachdem sie all die Jahre mit einer Prostituierten zusammengelebt hatte, fand sie nichts Schockierendes am Gerede der Mädchen von Gewalt, Diebereien und ihren frühreifen sexuellen Aktivitäten. Schnell wurde ihr klar, dass die Behandlung, die sie von Eamonn hatte erdulden müssen, bei weitem nicht so außergewöhnlich und erschreckend war, wie sie zu der Zeit gedacht hatte. Schließlich liebte er sie doch, eben auf seine Weise, und es stand ihm frei, das zu tun. Manche der Mädchen waren viel, viel schlimmer behandelt worden, und das von ihren Brüdern, Vätern oder Onkeln. Oft von den einen wie den anderen. Denise hatte schon mit sieben Jahren Männern angeboten, sie für Geld mit dem Mund zu befriedigen, und da sie den größten Teil ihres Lebens der Fürsorge unterstellt gewesen war, hatten sich die Personen, die eigentlich verantwortlich dafür waren, sie anzuleiten und sich um sie zu kümmern, auch immer wieder als Nutznießer ihrer einträglichen Talente erwiesen.
    Sie hatte bei einem Becher Kakao geprahlt, einen Mann in weniger als zwei Minuten allein mit der Zunge zum Orgasmus bringen zu können. Verglichen mit dem, was sie aus dem Mund von Madge und Betty gehört hatte, klang das in Cathys Ohren eher lahm, was der aufmerksamen Denise nicht

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