Die Aufsteigerin
Mädchen persönlich abholen. Erspart doch Mrs. Barton einen Weg.«
Während er sich anhörte, wie der perfide Hodges mit einer Flut von Ausreden aufwartete und versuchte, sein Verhalten zu rechtfertigen, steckte Gates sich eine Zigarette an und lehnte sich völlig entspannt auf seinem Stuhl zurück.
Hodges war gar nicht mehr zu halten. Cathy könne abgeholt werden, sobald Gates es wünschte.
Betty, die übers ganze Gesicht feixte, fragte sich, wann sie das arme Ding wohl holen könnten. Sie freute sich schon darauf, die Kleine wieder daheim zu haben.
Cathy wachte auf, als sie in North London einfuhren. Denise kicherte, und Cathy grinste zurück.
»Wo sind wir?«, fragte sie schlaftrunken.
Denise reagierte nicht, und Cathy merkte, dass die Freundin mit dem Lastwagenfahrer gelacht hatte, nicht mit ihr.
»Hör mal, Cath, ich weiß, dass es so nicht geplant war, aber ich werd dich in Soho absetzen lassen. In Ordnung?«
Cathy sah die Freundin ungläubig an. »Was soll das heißen?«
Denise schloss die Augen und musste schwer schlucken, bevor sie antworten konnte. »Na ja, Derek hier meint, er kann mir einen richtigen Job besorgen. Also ist es das Beste, wenn du nach Soho gehst. Ich hab ihm die ganze Sache erklärt, und wir meinen beide, dass du dich vom East End fernhalten solltest, zumindest für ein paar Tage. Ist doch klar, dass sie da zuerst suchen, oder? Ob du nun weggeschlossen gehört hast oder nicht,
ich mein, bis wir nicht wissen, was die alte Barton gemacht hat, können wir nicht ruhig schlafen, oder? Lass ein paar Tage verstreichen und geh dorthin zurück, wo du mal gewohnt hast. Peil die Lage. Die Bullen beobachten all die Orte, wo du dich immer rumgetrieben hast. Glaub mir, ich weiß Bescheid. Ich hab das alles schon mal mitgemacht.«
Cathy sah ihre Freundin entgeistert an, ohne zu verstehen, was sie eigentlich sagen wollte. »Wohin willst du denn?« Ihre Hände schmerzten wieder. Sie fror und war müde.
»Wie ich schon gesagt hab. Ich geh mit Derek.«
Denise schaute schuldbewusst aus, Derek lächelte offen. Er verstand nicht so recht, was für Probleme die beiden hatten. Er sah während der Fahrt immer wieder zu ihnen hinüber und lächelte, bis Cathy schließlich nicht anders konnte, als zurückzulächeln.
»Aber wohin willst du denn?«, beharrte sie.
Denise seufzte. »Nach oben in den Norden mit ihm. Diese Ladung liefert er hier ab, und dann fährt er noch mehr Fisch holen in einem Ort namens Grinsby, stimmt’s? Aber was denkst du eigentlich, wer du bist? Vielleicht ‘n Scheißbulle, oder was?«
Es sollte scherzhaft klingen, aber Cathy verstand sehr wohl. Denise hatte einen Kerl gefunden, und von jetzt an ging jede ihren eigenen Weg.
»Aber was soll ich in Soho machen?«, fragte Cathy verzweifelt. »Ich kenn mich da nicht aus und kenn doch keinen.«
Denise lachte laut. »Du hast fünfundzwanzig verdammte Scheine, du dämliche Kuh. Du kannst hingehen, wo es dir gefällt.«
Denise gab sich große Mühe, sie aufzumuntern, aber es entging ihr nicht, wie verwirrt und eingeschüchtert Cathy war. Mitfühlend sagte sie: »Ich find’s auch furchtbar, dich einfach so abzusetzen, Kleine. Kannst du mir glauben. Aber ich hab hier eine Chance, verstehst du, es könnte ein neuer Anfang sein. Wenn du willst, kannst du auch gerne mitkommen.«
Cathy schüttelte den Kopf. Sie wusste, dass dieses Angebot nur aus freundschaftlichem Pflichtgefühl ausgesprochen wurde und zur Belastung würde, wenn sie es tatsächlich annahm. Sie schloss die Augen und versuchte zu lächeln.
»Das Geld hatte ich ganz vergessen.«
Denise grinste. »Wie konntest du das vergessen? Ein kleines Vermögen.«
Die beiden Mädchen unterhielten sich danach schon fast vergnügt, aber eine Stunde später stand Cathy allein auf der Oxford Street, mit fünfundzwanzig Pfund in der Tasche und schwerem Herzen. Als sie ihrer Freundin zum Abschied nachwinkte, fühlte sie sich einsamer als je zuvor. Als sie das entsprechende Schild entdeckte, schlug sie die Dean Street in Richtung Soho ein. Wie Denise ihr versichert hatte, führten hier sämtliche Straßen nach Soho.
Mit ihren wenigen Habseligkeiten strebte Cathy in der Dunkelheit und Kälte einer Gegend zu, wo sie Lichterglanz, etwas zu essen und zu trinken und ein Bett für die Nacht zu finden hoffte.
Ihre Hände schmerzten wie ihr Herz, aber trotz aller Kälte und Trostlosigkeit spürte sie, dass sie auf dem Weg in ein besseres Leben war. Ohnehin war alles, wirklich alles auf der
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