Die Aufsteigerin
Welt besser als die Benton School for Girls.
Mr. Hodges war vor Entsetzen verstummt, und nur ein großer Brandy und Miss Henleys aufgeregtes Gezwitscher holten ihn in die Wirklichkeit zurück.
»Wir sind erledigt, alle zusammen. Dieser Polizist, dieser Inspektor Gates, kommt morgen früh, um Connor abzuholen.«
Miss Henley schüttelte ungläubig den Kopf. »Aber sie ist weg, haben Sie ihm das nicht erklärt? Unsere Polizei wurde bereits informiert. Davon kann er sich leicht überzeugen …«
Hodges sprang auf und brüllte: »Scheiße! Als ob ich das nicht wüsste, Frau! Aber was hätte ich denn machen sollen? Das Mädchen hätte überhaupt nie hergebracht werden dürfen, wie
wir alle wissen. Jetzt ist es an Barton, die Angelegenheit zu klären und die Wogen zu glätten. Wenn sie das nicht schafft, sind wir geliefert. Wir alle!«
Mary Bartons Ehemann war normalerweise liebenswert und freundlich. Gestraft mit dieser dominanten Frau, ließ er sie um des häuslichen Friedens willen frei schalten und walten.
Mr. Justice Barton, Richter am Obersten Gerichtshof, trug den Spitznamen Unjust Barton, auf den er insgeheim stolz war. Stolz war er ebenfalls auf seinen Schnauzbart, sein stets akkurat gestutztes stahlgraues Haar und mehr als alles andere auf die harte Hand, die er alle Angehörigen der kriminellen Schichten spüren ließ. Er vermochte genauso leichthin und wirkungsvoll einen Zeugen einzuschüchtern wie die Staatsanwaltschaft zu beraten.
Sein Leben war ein Spiel, ein großes amüsantes Spiel, und er betrachtete alle Mitmenschen einschließlich seiner flachbrüstigen und spitznasigen Xanthippe von Ehefrau als seine Marionetten.
Heute Abend, nachdem er sich im Club ausgiebig am zwölf Jahre alten Malt gelabt und zudem die Fürsorge eines jungen Freundes genossen hatte, eines liebreizenden Jünglings mit goldenen Locken und einem Mund mit der Saugkraft eines Staubsaugers, wollte er nur noch schlafen. Doch seine Frau ließ ihn nicht.
Das Telefon läutete unaufhörlich, und ihre schrille Stimme riss ihn immer wieder aus dem Schlummer. Und jetzt, zum Teufel, verlangte sie mit jener unduldsamen Stimme, die sie gewöhnlich für Domestiken reserviert hatte, dass er aufstand.
»Schleich dich, Frau, und lass mich zufrieden. Ich hab morgen einen schweren Tag. Kümmere dich um deine Sachen und gib verdammt noch mal endlich Ruhe!« Sein Gebrüll ließ sie zusammenzucken.
Doch die panische Angst, die sich in ihrem Gesicht spiegelte,
machte ihn stutzig, sodass er sich aufsetzte. Mary mochte mancherlei Eigenschaften haben, aber kleinmütig und ängstlich kam einem nicht in den Sinn, wenn man an sie dachte. Heute Abend sah sie jedenfalls gottserbärmlich aus.
»Was ist denn los? Geht’s um eins der Kinder?«, fragte er beunruhigt. »Um Himmels willen, Frau, was ist denn passiert?«
Mary Barton fing zu weinen an, und das allein reichte, um ihren Mann aus seinem Bett hinüber in ihres zu holen.
»Ach, ich bin ein furchtbar ungezogenes Mädchen gewesen, aber ich wollte doch nur den netten Hendersons einen Gefallen tun …«
Mr. Justice Barton betrachtete seine Frau, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen. Dann schloss er sie seufzend in die Arme. »Na komm, Mary. Sag mir, wovon du da lamentierst, und ich versuch es für dich zu regeln.«
Mit angehaltenem Atem wartete er darauf, dass sie ihm erklärte, worum es bei all dem Theater eigentlich ging. Dabei hatte er seinen kleinen blonden Freund im Kopf und konnte immer nur denken: Bitte, lieber Gott, mach, dass sie es nicht herausgefunden hat.
Bereits nach ihren ersten Worten entspannte er sich. Es hatte nichts mit ihm zu tun. Und als seine Frau ihr Dilemma schilderte, spürte er sogar insgeheim einen Hauch Genugtuung. Wenn er ihr aus diesem Schlamassel half, würde sie vielleicht in Zukunft ein wenig nachsichtiger sein.
Mary Barton, als Frau ein mieses Stück, als Ehefrau eine Plage und Geißel der Sozialdienste, hatte einen Riesenmist verzapft.
Das würde er weidlich ausnutzen können. Und genau das hatte er auch vor.
Mary wandte das tränenüberströmte Gesicht ihrem Ehemann zu, und beide wussten haargenau, was der andere dachte.
Nichtsdestoweniger spielten sie das Spiel weiter. Weil sie das unter einer zivilisierten Ehe verstanden.
Cathy trat durch die Tür eines kleinen Cafés in Soho. Sie suchte sich einen Platz so nahe an der Heizung, wie es ging, bestellte Kaffee und Toast und setzte sich, um zu überlegen.
In ihren Händen pochte der Schmerz, und
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