Die Aufsteigerin
automatisch mit einem Blick taxierte. Er reagierte und lächelte das Mädchen mit den großen blauen Augen in der Ecke der kleinen Bar an.
»Kennst du den?«, fragte Eamonn knapp.
Caroline zuckte die Achseln. »Nein, sollte ich?« Ihre Stimme triefte von Sarkasmus, aber da war auch noch etwas anderes. Etwas, das Eamonn nicht durchgehen lassen konnte. Etwas Selbstgefälliges und Herausforderndes.
Er stand auf, ging hinüber zu dem Fremden an die Bar und sagte: »Du hast meine Taube angelächelt.«
Der junge Mann wandte sich ihm zu und schmunzelte. »Ist doch ein freies Land. Sie sieht hübsch aus. Nimm’s als Kompliment, Kumpel. Ich hab doch nur gelächelt.«
Er sah jungenhaft gut aus und wusste es. Eamonn ahnte, dass dieser Bursche sich mit seinem sorglosen Lächeln und seinem unbefangenen Charme durchs Leben lavierte. Er hatte Autoschlüssel
in der Hand und wirkte wie einer, der aus gutem Hause kam. Der alles bekommen hatte, was ein Kind bekommen sollte.
Das ging Eamonn in dem Sekundenbruchteil durch den Kopf, den er brauchte, um ein großes Bierglas auf dem Tresen zu zerschmettern und dem Jungen durchs Gesicht zu ziehen. Er fragte sich sogar noch, was Mama und Papa wohl von ihrem verhätschelten Sohn hielten, wenn er ein paar fette Narben im Grinsegesicht vorzuzeigen hatte.
Ein Stammgast war er nicht, sonst hätte Eamonn ihn erkannt. Von seiner Sorte tauchten immer mehr in den Pubs des East End auf, weil sie es schick fanden und sich ein gewisses Prestige davon versprachen. Jetzt hatte er jedenfalls ein Andenken, das ihn für den Rest seines Lebens an diesen Abend erinnern würde.
»Ich heiße Eamonn Docherty, und trau dich ja nicht, das bei den Bullen auszuplaudern«, sagte er zum Abschied.
Lachend verließ er den Pub, Caroline im Schlepptau. Niemand regte sich, dem jungen Mann zu helfen, und niemand rief einen Krankenwagen, bis man sicher sein konnte, dass Eamonn weit weg war. Der junge Bursche presste die klaffenden Wunden mit den Fingern zusammen und schaute sich ungläubig und fassungslos um.
Caroline folgte Eamonn schweigend nach Hause. Gemeinsam betraten sie die Wohnung. Noch immer stumm zog sie ihren Mantel aus und trat auf den Mann zu, den zu lieben und mit dem zu leben sie sich entschlossen hatte. Seine Faust traf ihr Gesicht, und sie spürte den peinigenden Schmerz, als seine Knöchel ihre Backenknochen trafen.
Er schlug sie zu Boden, und dann regneten seine Schläge auf ihren Kopf und ihren Körper. Bewusst und planvoll prügelte er auf sie ein.
Noch immer sagte sie keinen Ton.
Sie rollte sich zusammen, ließ den Körper erschlaffen und nahm hin, was er ihr antat.
Als er genug hatte, presste er ihr schließlich die Knie auseinander und nahm sie grob und stumm auf dem Fußboden.
Als sie sah, dass er die Augen schloss, und spürte, wie sein Samen heiß in ihren Schoß spritzte, wurde sie blitzartig von einem Hochgefühl überwältigt.
Er war eifersüchtig. Er hatte ihr wehgetan. Also musste er sie lieben.
Niemand hatte Caroline in das große Geheimnis eingeweiht, was Liebe wirklich bedeutete, und niemand würde es je tun.
Hinterher nahm er sie in die Arme wie ein kleines Kind und flüsterte ihr tröstende Worte ins Ohr. Ein paar Minuten lang fühlte sie sich besser aufgehoben als jemals in ihrem Leben.
Cathy sah den Mann auf sich zukommen und machte einen Schritt zur Seite, um ihm auszuweichen. Beim Versuch, aneinander vorbeizukommen, führten sie beide ein Tänzchen auf. Schließlich blieb sie stehen und wartete darauf, dass er um sie herumging.
Das tat er aber nicht.
Sie blickte auf und sah einen großen Mann mit dichtem Bart vor sich. Er wirkte ausländisch, mochte eventuell Russe sein. Aber das lag wohl eher an seiner Fellmütze. Er trug einen schweren Wintermantel und einen weißen Schal. Er sah zwar elegant aus, irgendwie aber auch bedrohlich.
»Hallo, junge Dame.«
Seine Stimme war tief und unzweifelhaft die eines Londoners. Cathy wollte um ihn herumgehen.
»Komm schon, junge Dame, was ist denn los? Hat es dir die Sprache verschlagen?«
Die Leute gingen an ihnen vorbei, als würden sie gar nicht existieren, und Cathy blickte nach oben in die bösen Augen des Mannes.
»Sie sind mir im Weg, Mister.«
Er sah auf sie hinab und lachte. »Komm, komm mit mir mit.«
Er hatte bereits ihren Arm gegriffen, packte sie dann noch fester und zog sie in eine kleine Seitengasse. Cathy versuchte den Arm aus der Umklammerung zu winden. Der Mann grinste. Die Gasse war kaum
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