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Die Aufsteigerin

Titel: Die Aufsteigerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Cole
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den Schlüssel wegwerfen. Sobald wir sie zu Gesicht bekommen, müssen wir ihr also helfen und sie wegbringen.«
    Eamonn hörte mit zunehmender Verwunderung zu. »Was
soll denn bloß dieser Scheiß, dass sie gewalttätig wär und gefährlich? Sind die sicher, dass sie von dem richtigen Mädchen reden?«
    Betty nickte zustimmend. »Das klingt alles verrückt, das weiß ich wohl, aber es heißt, dass die beiden - Cathy und die andere, mit der sie zusammen ausgerissen ist - irgend so einen alten Knacker angegriffen haben, der in der Benton School for Girls arbeitet. Der hat ein paar böse Beulen auf der Birne abbekommen und sagt, das hat er den beiden zu verdanken. Sie steckt in Schwierigkeiten, Eamonn, auch wenn Gates an ihrem Fall dran ist und sie finden will. Ich weiß, dass er es gut meint, und für ‘nen Bullen ist er echt nicht übel, aber absolutes Stillschweigen ist das einzig Wahre. Ich werde ihm nichts erzählen, wenn ich Cathy sehe, und das solltest du auch nicht. Wir müssen versuchen, ihr auf den Weg zu helfen, dass sie verschwinden kann. Das heißt, wenn sie überhaupt auftaucht. Sie könnte überall sein. Ich hoffe nur, ihr geht es gut, weißt du?«
    Die beiden sahen einander lange und stumm an. Beide dachten dasselbe, und keiner von ihnen wollte es aussprechen.
     
    Cathy war wieder in Soho. Sie hatte den ganzen Nachmittag auf der Straße verbracht und schließlich beschlossen, zum Kaffeehaus zurückzugehen und den Versuch zu unternehmen, ihr Geld oder zumindest einen Teil davon bei Tony Gosa herauszuschlagen.
    Der Abend war angebrochen. Es herrschte viel Verkehr, auf den Straßen tummelten sich die Menschen, die Geschäfte waren voll. Neugierig schaute sie sich um. Junge Frauen, die kaum älter waren als sie, hatten ihre Büroarbeit hinter sich und strebten nach Hause. Sie waren elegant gekleidet, rund um die Augen schwarz geschminkt und trugen Kurzhaarfrisuren. In Cathys Augen sahen sie fantastisch aus.
    Sie stellte sich Eamonns Gesicht vor, wenn sie so wie diese Mädchen bei ihm auftauchte - aber das würde sie nur schaffen
können, wenn es ihr gelang, ihre fünfundzwanzig Quid wiederzubekommen. Ihr war es wichtig, für ihn gut auszusehen, denn sie wusste sehr gut, dass Aussehen in Eamonns Leben eine große Rolle spielte. Er kämmte sich doch ständig das Haar und warf immer wieder einen Blick in den Spiegel. Sie wollte ihm ebenbürtig sein, wenn sie ihn wiedersah, wollte, dass er sie mit Wohlgefallen und Bewunderung betrachtete. Nicht wie eine Vogelscheuche in Lumpen und mit schmutzigem Gesicht.
    Tony Gosa schien keinen Schreck zu bekommen, als er sie sah. Im Gegenteil, er sah aus, als hätte er sie erwartet.
    »Was suchst du denn hier?«, herrschte er sie laut an, und die Gäste im kleinen Kaffeehaus blickten befremdet auf Cathy. Es waren lauter junge Leute in modischer Kleidung und mit überheblichen Allüren. Zwei Sechzehnjährige kicherten und deuteten auf Cathy, als sei sie eine Figur aus der Geisterbahn.
    »Ich will mein verfluchtes Geld!« Cathys Stimme klang ebenso laut und aggressiv, und alle hielten inne, um sie unverhohlen anzustarren. »Du hast mich begaunert, Mistkerl, und ich bin hier, um mir zu holen, was mir gehört.«
    Tony Gosa war verblüfft, zeigte aber keine Gefühlsregung. Als er um die Theke herum kam, warf er seinen Gästen beschwichtigende Blicke zu. Dann packte er Cathy grob am Arm und warf sie in Windeseile zur Tür hinaus aufs Straßenpflaster.
    Er beugte sich über sie und stieß zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: »Wenn ich dich hier nochmal sehe, schneid ich dir die verdammte Kehle durch, Kleine. Und nun verpiss dich und lass dich nie wieder blicken.«
    Das freundliche Gesicht vom Abend zuvor war verschwunden. Als er zurück ins Kaffeehaus ging, hörte sie ihn noch sagen: »Da tut man jemandem einen Gefallen, und so wird es einem gedankt.«
    Cathy war dunkelrot vor Wut und dem Gefühl von Erniedrigung. Tränen des Zorns brannten ihr in den Augen, während sie dastand und ins Kaffeehaus starrte. Sie überlegte, was sie tun
sollte, aber ihr blieb nichts übrig, als schwarz mit der Bahn ins East End zu fahren. Alle ihre Träume, dort in einem einigermaßen passablen Zustand aufzukreuzen, hatten sich zerschlagen. Und obendrein quälte sie grässlicher Hunger!
    Hungrig, frierend und voller Angst wanderte sie die Compton Street hinauf und spürte den kalten Wind im Gesicht. Voller Angst, dass es weder im East End noch im West End von London einen Platz für sie gab.

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