Die Aufsteigerin
erreicht hatten. Sie öffnete eine Tür und schob Cathy in ein ungepflegtes Treppenhaus. »Oben, und dann die erste Tür rechts, Kleines. Pass auf die grässlichen Stufen auf. Die sind so steil wie der Mount Everest.« Sie lachte und musste das umgehend mit einem Hustenanfall büßen.
Als sie die schmutzigen Treppen voller Papiermüll und gebrauchter Präser hinaufstiegen, konnte Cathy den Gestank von Müll und Zigarettenrauch kaum ertragen. Aber schließlich öffnete Desrae ihre Wohnungstür und schaltete das Licht an.
Zu ihrer Verblüffung hatte Cathy einen hübschen Flur vor sich, beige gestrichen und mit Grünlilien dekoriert. Sie wurde in das Wohnzimmer geführt, das mit einem Ledersofa, zwei Sesseln und einem großen alten Büfett für Porzellan und Gläser möbliert war.
»Stell deinen Kram ab, und ich mach dir einen steifen Drink,
Liebes. Ich weiß, dazu bist du noch nicht alt genug, aber gegen Schwanzgeschmack hilft nichts so gut wie ein Schlückchen vom guten alten Scotch.«
Wieder schüttete sich Desrae aus vor Lachen, machte die Lampen an und schenkte ihnen zu trinken ein. Sie drückte Cathy ein schweres Kristallglas in die Hand, und das Mädchen schaute sie entgeistert an. Desraes Haar war gebleicht und kunstvoll zu einem Chignon getürmt. Die Augen hatte sie mit viel Wimpertusche und dunkelgrünem Lidschatten betont, ihr Mund war ein dunkelroter Schlitz. Ihr Gesicht war breitflächig, hatte aber dennoch etwas Feines, ihr Lächeln war ehrlich und freundlich.
Desraes Augen funkelten verschmitzt, als sie verkündete: »Ja, mein Kleines, du liegst ganz richtig. Ich bin tatsächlich ein Mann.« Wieder das exaltierte Lachen. »Aber krieg deswegen nur keinen Schreck, Liebes. Ich fresse keine kleinen Mädchen. Und - ist das nicht großartig - ich bin auch nur ganz selten mal darauf aus, dass sie an mir kauen!«
Abermals kreischte er begeistert über seinen eigenen Witz, hob das Glas und ermunterte Cathy, ihren Whisky auf ex runterzukippen. »Schmeckt beschissen, tut aber seine Wirkung, äh?«
Cathy trank und bekam sofort einen furchtbaren Hustenanfall. Ein muskulöser Arm legte sich um ihre schmalen Schultern, und Desrae gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
»Du armes kleines Würmchen. Aber mach dir keine Sorgen, Desrae wird sich gut um dich kümmern. Du bist hier sicher wie in Abrahams Schoß, um’s mal biblisch zu sagen.« Er setzte das Mädchen auf das große Sofa, nahm ihr ein paar Dinge ab und machte sich daran, ihr die Schuhe auszuziehen.
»Ich glaub, ich lass dir ein Bad ein und mach dir ‘n Happen zu essen. Und später halten wir beide ein kleines Schwätzchen ab. Ich hab heute Abend nichts auf dem Zettel. Du hast großes Glück, dass ich heute nicht im Club arbeiten muss. In dem Fall hätte ich dich nämlich nicht retten können.«
Und während er ihr das Badewasser einließ, plapperte er ohne Unterlass weiter über alles und nichts.
Cathy lag auf dem Sofa und hörte mit halbem Ohr zu. Die Mannfrauenstimme hatte eine besänftigende Wirkung, und sie stellte fest, dass sie an deren Klang Gefallen fand. Instinktiv spürte sie, dass sie tatsächlich in Sicherheit war, und es kam ihr schon gar nicht mehr befremdlich vor, dass ihr Retter ein Mann im Kleid und mit fleischfarbenen Strumpfhosen war. Allmählich gab es nichts mehr auf der Welt, das sie hätte schockieren können.
Fünf Minuten später saß sie, von Schaum eingehüllt, in der Wanne eines hellrosa gekachelten Badezimmers und nippte an einem kleinen Grog, der alle Leiden dieser Welt kurieren würde, wie Desrae beteuerte.
»Hier, das ist für deine Haare.«
Cathy nahm das Gummiband und drehte ihr Haar zu einem Knoten, der mitten auf dem Kopf thronte.
»Wunderschönes Haar hast du, Süße, und so unglaublich zarte Schultern. Zeugt von bester Herkunft, kann ich nur sagen. Ich hab Schultern wie ‘n verdammter Bauarbeiter - was ja nicht weiter verwunderlich ist, denn ich war ja mal einer!« Das löste wieder ein wüstes Lachen aus, von dem Cathy diesmal angesteckt wurde.
»Vielen, vielen Dank. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn …« Ihre Stimme versagte, und dann brach sie auch schon in Tränen aus, so gerührt hatten sie die Freundlichkeiten ihres Retters. Auf den Tränenstrom folgten Schluchzer, die sie so lange zurückgehalten hatte und die jetzt ihren schmächtigen Körper beben ließen.
Desrae, ebenfalls von Gefühlen überwältigt, schloss das badende Mädchen in die Arme und versprach laut: »Schluss, bitte hör auf.
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