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Die Augen der Medusa

Die Augen der Medusa

Titel: Die Augen der Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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herausgestellt, während sonst nur von allgemeinen politischen Grundsätzen die Rede war. Des Weiteren weisen wir auf die Formulierung hin, dass sich der Staat in keiner Weise erpressbar zeigen darf . Nicht etwa, dass er in keiner Weise erpressbar ist. An diesen Untertönen können Sie erkennen, dass die Tür zu ernsthaften Verhandlungen weiter offen steht.
    Von: »Minh« [email protected]
    An: »Krisenstab« [email protected]/pesaro
    Es gibt nichts zu verhandeln. Sie lassen die zwölf Genossen ausfliegen, und ich gebe die Geiseln frei. Und zwar in dieser Reihenfolge! Der Ablaufplan ist Ihnen bekannt.
    Von: »Krisenstab« [email protected]/pesaro
    An: »Minh« [email protected]
    Wir sind Ihnen ein großes Stück entgegengekommen, indem wir die Terroristen zusammenlegen und gemeinsam beraten lassen. Weder die Dauer dieser Beratungen noch deren Ergebnis können wir beeinflussen. Wenn Sie wirklich ein Interesse daran haben, das Problem in Ihrem Sinn zu lösen, sollten Sie Ihr Ultimatum verlängern.
    Von: »Minh« [email protected]
    An: »Krisenstab« [email protected]/pesaro
    Wer garantiert mir, dass Sie mir nichts vormachen? Die Erklärung der Genossen muss öffentlich im Fernsehen übertragen werden!
    Von: »Krisenstab« [email protected]/pesaro
    An: »Minh« [email protected]
    Wir machen Ihnen nichts vor. Wir nehmen unseren Auftrag, das Leben unschuldiger Menschen zu bewahren, sehr ernst. Eine öffentliche Übertragung ist allerdings ausgeschlossen. Der Minister und die gesamte Regierung würden in der Luft zerrissen werden. Wir bitten Sie nochmals zu beachten, dass Verhandlungen dieser Art nur unter äußerster Geheimhaltung zum Erfolg führen können.
    Von: »Minh« [email protected]
    An: »Krisenstab« [email protected]/pesaro
    Es muss also erst Blut fließen? Wissen Sie, dass Ispettore Russos Kinder Sonia und Luca heißen? Und dass die beidenin genau sechs Stunden und vierundvierzig Minuten Halbwaisen sein werden?
    Elena Sgreccia hatte Matteo Vannoni erzählt, wie sie und die anderen vom Questore vorgeführt worden waren. Sie hatten es gut gemeint, aber eigentlich war es Vannonis Aufgabe, etwas für Minh zu tun. Nur was? Ihm fiel einfach nichts ein. Er wählte die Durchwahlnummer der Intensivstation. Ihm wurde gesagt, dass es keinen Sinn habe, wenn er jede halbe Stunde anriefe. Catias Körper brauche Zeit. Ein paar Tage mindestens, vielleicht auch wesentlich länger. Man werde Vannoni auf dem Laufenden halten.
    Antonietta fragte, ob es Neuigkeiten gebe.
    Vannoni schüttelte den Kopf und schaltete den Fernseher ein. Das Bild zeigte die Fassade des Innenministeriums in Rom. Über dem Freibalkon hingen die italienische und die EU-Flagge schlaff an ihren Masten. Am Portal ließ sich niemand blicken. Auch die zwei Streifenwagen der Polizia di Stato, die halb versteckt an den Seiten parkten, schienen verlassen. Der gesamte Auffahrtsbereich war mit versenkbaren Pollern und schweren Gittertoren gesichert. Im halbkreisförmigen Fußgängerbereich davor stand ein Brunnen, über dessen Rand das Wasser lustlos in ein tiefer liegendes Becken plätscherte. Längs der Rundung der Piazza ragten altertümlich anmutende Laternen auf. An diejenige, die dem versperrten Aufgang zum Viminale am nächsten war, hatte sich eine Frau mit Handschellen gefesselt. Gegen den überdimensionierten Laternenpfahl wirkte sie winzig. Um sie herum scharten sich etwa zwanzig weitere Personen, darunter etliche Kinder. Einige hielten hastig beschriftete Plakate in die Kamera:
     
     
    De Sanctis, gib mir meinen Papi zurück!
    Austausch sofort!
    Nichts ist so wertvoll wie das Leben.
    Der Reporter sprach von verständlichen Reaktionen der verzweifelten Angehörigen. Ob der Innenminister die Familien der Geiseln empfange, sei noch nicht klar. Jetzt schwenkte die Kamera zum Rand der Piazza. Neben einem Zeitungskiosk war ein knappes Dutzend Staatspolizisten aufgezogen. Das Weiß ihrer Pistolentaschen stach klar vom Blau der Uniform ab. Die Polizisten taten so, als bemerkten sie die Demonstration nicht. Offensichtlich hatten sie noch keine Anweisungen von oben bekommen.
    Bilder von Bewaffneten, von weinenden Müttern, plakatbehängten Kindern, kopfschüttelnden Schaulustigen. Nichts, was nicht jeden Tag irgendwo geschah. Vannoni verstand nicht, wieso ihn das alles so maßlos aufregte. Seine Tochter lag im Koma, sein Enkel wurde fälschlicherweise als Mörder und

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