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Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Stelle bei ihm aufgebe, und dasselbe habe ich vorgestern seiner Frau gesagt.«
    »Sie geben also zu, daß Sie sich in eine brenzlige Lage manövriert hatten?«
    Die Polizisten, mittlerweile waren sie zu viert, musterten ihn mit unverhohlener Skepsis.
    »Bestimmt steht Mrs. Ostrander unter Schock«, sagte Penn. »Sie weiß nicht, was sie redet. Bitte, kann ich mit ihr sprechen? Jetzt gleich?«
    »Sie ist unterwegs. Sie können Sie sprechen, sobald sie hier ist.« Der Beamte lehnte sich zurück und griff wieder nach seinem Bleistift. »Tut mir leid, Knowlton, aber Sie sind vorläufig festgenommen. Es besteht dringender Tat-verdacht.«
    Sie verhörten ihn bis ein Uhr nachmittags; dann bekam er einen Hamburger und einen Pappbecher mit dünnem Kaffee. Immer wieder fragten sie ihn, ob keine Schußwaffe in der Hütte gewesen sei – immer wieder verneinte er wahrheitsgemäß – und ob er Davids Leichnam nicht mit Steinen beschwert samt Waffe im See versenkt hätte.
    »Wir sind doch heute morgen um den halben See her-umgelaufen«, sagte Penn. »Haben Sie da vielleicht irgendwo Fußspuren gesehen?«
    Zu dem Zeitpunkt hatte er ihnen bereits von seinem 304
    Traum erzählt und die These aufgestellt, daß Mr. Ostrander versuchen könnte, diesen Traum nachzustellen, was indes nur ungläubiges Schmunzeln hervorrief. Ferner hatte er ihnen seine Gefühle für Ginnie enthüllt und auch seine Absichten auf sie, die gleich Null waren. Daß Ginnie ihm ebenfalls ihre Liebe gestanden habe, sagte er nicht. Nach dem, was sie am Telefon über ihn gesagt hatte, brachte er das einfach nicht fertig.
    Sie durchleuchteten seine Vergangenheit. Keine Vor-strafen. Geboren in Raleigh, Virginia, abgeschlossenes Studium an der Staatlichen Hochschule, Hauptfach Jour-nalistik, ein Jahr Redakteur bei einer Zeitung in Baltimore, dann vier Jahre Küstenwache. Eine durch und durch weiße Weste, und an der schien die Polizei auch nicht zu zweifeln. Sie glaubten nur nicht, daß er sich seine weiße Weste auch bei den Ostranders rein gehalten hatte. Er war in Mrs. Ostrander verliebt, und trotzdem wollte er seinen Job hinschmeißen und weggehen aus Stonebridge. Ja, hatte er denn keine Pläne, was die Dame betraf?
    »Fragen Sie sie selber«, sagte Penn erschöpft.
    »Das werden wir«, antwortete der Polizist, der auf den Namen Mac hörte.
    »Sie kennt auch meinen Traum und die Fragen, die ihr Mann mir dazu gestellt hat«, sagte Penn. »Vernehmen Sie sie meinetwegen allein, wenn Sie mir nicht trauen.«
    »Merken Sie sich eins, Knowlton«, sagte Mac. »Wir vertrödeln unsere Zeit nicht mit Träumen. Uns interessieren die Fakten.«
    Ginnie kam kurz nach drei. Da hatten sie Penn schon in 305
    eine Zelle gesteckt, aber er konnte immerhin einen flüchtigen Blick auf sie durchs Gitter erhaschen und seufzte erleichtert. Sie wirkte gefaßt, hatte sich offenbar ganz in der Gewalt. Die Polizisten blieben etwa zehn Minuten mit ihr weg, dann kamen sie wieder und ließen Penn aus seiner Zelle. Doch als er auf Ginnie zuging, starrte sie ihn so feindselig oder auch furchtsam an, daß ihr Blick ihn traf wie ein Schlag in die Magengrube. Das »Hallo, Ginnie«
    zur Begrüßung blieb ihm im Halse stecken.
    »Würden Sie bitte vor ihm wiederholen, was er vorgestern zu Ihnen gesagt hat, Mrs. Ostrander?« forderte Mac sie auf.
    »Gewiß. Er hat gesagt: ›Ich wünschte, David würde sich in Luft auflösen wie der Mann in meinem Traum. Ich wünschte, er würde für immer aus deinem Leben verschwinden, damit ich dich für mich allein haben könnte.‹«
    Penn starrte sie entgeistert an. »Ginnie, das sind deine Worte!«
    »Ich glaube, was wir von Ihnen hören wollen, Knowlton, ist eine Antwort auf die Frage: Was haben Sie mit ihrem Mann gemacht?« warf Mac dazwischen.
    »Ginnie«, sagte Penn verzweifelt, »ich weiß nicht, warum du so was behauptest. Aber ich könnte unser vorgest-riges Gespräch Wort für Wort wiederholen, beginnend mit der Stelle, an der ich dir gesagt habe, daß ich meinen Posten bei David aufgeben werde. Wenigstens so weit wirst du mir doch recht geben, oder?«
    »Ach was, mein Mann hat ihn rausgeschmissen – weil er mir dauernd nachstellte!« Ginnie blickte Penn und die Po-306
    lizisten um sie herum mit zornfunkelnden Augen an.
    Penn schwankte zwischen Panik und Abscheu. Ginnie schien wie von Sinnen – oder wie eine Frau, die überzeugt ist, dem Mörder ihres Mannes gegenüberzustehen. Blitzartig entsann er sich ihrer verblüffenden Kaltblütigkeit bei jenem

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