Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
Vom Netzwerk:
Ferienhaus erreichten, eine gediegene Hütte aus unbehauenen Baumstämmen mit einem gemauerten Kamin an der Frontseite. Helle Birken und mächtige Kiefern wiegten sich im leichten Herbstwind.
    Bis sie ausgepackt, Feuer gemacht und die Steaks gebraten hatten, war es sieben. David war zwar etwas einsilbig, dabei aber so guter Dinge, als ob ihr Gespräch über die Kündigung nie stattgefunden hätte. Vor dem Essen ge-nehmigten sie sich je zwei Drinks. Das war Davids Limit –
    für die Abende, an denen er noch zu arbeiten hatte, ebenso wie für die seltenen arbeitsfreien, die er sich leistete.
    David blickte ihn über den Tisch hinweg an. »Weiß Ginnie, daß Sie gehen?«
    Penn schluckte verlegen und nickte. »Ich hab's ihr gestern gesagt.« Im nächsten Augenblick hätte er sein Ge-ständnis am liebsten zurückgenommen. Informierte man nicht normalerweise als erstes seinen Arbeitgeber?
    So wie David ihn ansah, fragte er sich offenbar das gleiche. »Und? Wie hat sie's aufgenommen?«
    »Sie fand's schade, hat sie gesagt«, entgegnete Penn beiläufig und schnitt sich noch einen Bissen von seinem Steak herunter.
    »Ach, weiter nichts? Ich bin sicher, es wird ihr das Herz brechen.«
    295
    Penn fuhr zusammen, als hätte man ihn mit einem Messer durchbohrt.
    »Schauen Sie, Penn, ich bin ja nicht blind. Ich weiß, daß Ihr zwei euch einbildet, ihr wärt ineinander verliebt.«
    »Jetzt machen Sie aber mal halblang, David. Falls Sie mir unterstellen wollen –«
    »Ich sage nur, ich habe Augen im Kopf, und ich weiß, was hinter meinem Rücken geschieht, wenn ich in meinem Arbeitszimmer bin oder Mittwoch abends beim Schriftstellerstammtisch in der Stadt!« Davids Augen flackerten bläulich wie die kalten Lichter seiner fiktiven Mondland-schaften.
    »Hinter Ihrem Rücken spielt sich gar nichts ab, David«, sagte Penn gelassen. »Fragen Sie Ginnie, wenn Sie mir nicht glauben.«
    »Hah!«
    »Aber ich denke, Sie verstehen jetzt, warum ich mich entschlossen habe zu gehen. Ja, ich könnte mir sogar vorstellen, daß es Ihnen ganz lieb ist.«
    »Stimmt.« David steckte sich eine Zigarette an.
    »Es tut mir leid, daß es so gekommen ist«, sagte Penn.
    »Aber Ginnie ist noch sehr jung, und ich glaube, sie langweilt sich … nicht unbedingt mit Ihnen, nein, eher mit ihrem Leben draußen in Stonebridge.«
    »Besten Dank!« Die Worte peitschten ihm entgegen wie Pistolenschüsse.
    Jetzt zündete auch Penn sich eine Zigarette an. Beide waren unterdessen aufgestanden. Die Mahlzeit war zu 296
    Ende, obgleich ihre Teller erst halb leer gegessen waren.
    David ging auf und ab, und Penn behielt ihn so wachsam im Auge, als ob er es mit einem bewaffneten Gegner zu tun hätte, der jeden Moment eine Pistole oder ein Messer ziehen könnte. Er traute David nicht, konnte ihn nicht einschätzen. Und das letzte, womit er gerechnet hatte, war dieser Wutanfall eben. Es war das erstemal, daß David in seiner Gegenwart die Beherrschung verlor. »Okay, David, ich hab Ihnen schon mal gesagt, daß es mir leid tut, und ich wiederhole es gern. Aber Sie haben keinen Grund, mir böse zu sein.«
    »Schluß jetzt mit dem Gesülze! Ich weiß, woran man einen Scheißkerl wie Sie erkennt.«
    »Dafür würde ich Sie zusammenschlagen, wenn Sie nicht so ein Fliegengewicht wären!« schrie Penn und ging mit geballten Fäusten auf ihn los. »Ich hab von Ihrem Ge-quatsche genauso die Schnauze voll. Wenn Sie nach Hause kommen, werden Sie wahrscheinlich auch noch Ginnie mit Dreck bewerfen. Aber fassen Sie sich doch mal an die eigene Nase! Erst drängen Sie Ihrem Sekretär ein hübsches Mädchen, das sich langweilt, förmlich auf, schicken uns zusammen picknicken… und dann wollen Sie plötzlich uns die Schuld in die Schuhe schieben?«
    David brummte etwas Unverständliches in Richtung Kamin. Dann drehte er sich um, sagte: »Ich geh kurz an die frische Luft«, und polterte hinaus. Wobei er die schwere Bohlentür so heftig hinter sich zuwarf, daß die Dielen bebten.
    Penn räumte mechanisch das Geschirr ab, stellte den unberührten Salat in die Speisekammer und die Butter in 297
    den Kühlschrank, den sie bei ihrer Ankunft in Betrieb genommen hatten. Bei dem Gedanken, die Nacht allein hier mit David zu verbringen, schauderte ihn. Doch wo konnte er sonst hin? Sie waren sechs Meilen von der nächsten Ortschaft entfernt und hatten nur ein Auto dabei.
    Die Tür sprang so plötzlich auf, daß ihm um ein Haar die Kaffeekanne aus der Hand gefallen wäre.
    »Kommen Sie, begleiten Sie

Weitere Kostenlose Bücher