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Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Zigarettenkippe.
    Dreimal rief er laut Davids Namen, dann gab er auf.
    Um halb acht war Penn in Croydon, der nächsten Ortschaft. Zwischen einem Friseursalon und einem Malerge-schäft entdeckte er ein schmales, rechteckiges Schild mit der Aufschrift POLIZEI. Er stellte den Wagen ab, ging auf die Wache und erzählte seine Geschichte. Wie er es vor-ausgesehen hatte, wollte die Polizei sich zuerst in der Hütte umsehen. Penn fuhr in Davids Wagen voraus und zeigte ihnen den Weg.
    Die beiden Polizisten hatten schon von David Ostrander gehört, aber anscheinend war er ihnen als Schriftsteller kein Begriff, und sie kannten ihn nur als einen der wenigen Städter, die hier in der Gegend ein Ferienhäuschen be-saßen. Penn zeigte ihnen, wo er David zuletzt gesehen hatte, und erklärte, daß Mr. Ostrander habe ausprobieren wollen, wie gut er ihn auf dreißig Meter Entfernung noch erkennen könne.
    »Wie lange arbeiten Sie schon für Mr. Ostrander?«
    »Seit vier Monaten. Drei Monate und drei Wochen, um genau zu sein.«
    »Hatte er getrunken?«
    »Zwei Scotch. Sein übliches Quantum. Ich hatte das gleiche.«
    Dann gingen sie zum See und schauten sich dort um.
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    »Ist Mr. Ostrander verheiratet?« fragte der eine Polizist.
    »Ja. Seine Frau ist daheim in Stonebridge geblieben.«
    »Wir sollten sie benachrichtigen.«
    In der Hütte gab es kein Telefon. Penn wollte dort bleiben, für den Fall, daß David doch noch auftauchte, aber die Polizisten forderten ihn auf, sie zurück aufs Revier zu begleiten, und Penn widersetzte sich nicht. So konnte er wenigstens dabeisein, wenn sie mit Ginnie sprachen, und auch selber mit ihr reden. Womöglich hatte David sich ja spontan zur Rückkehr nach Stonebridge entschlossen und war inzwischen längst zu Hause. Von der Hütte bis zum Highway waren es bloß zwei Meilen, und David mochte einen Bus erwischt haben oder per Anhalter gefahren sein.
    Im Grunde glaubte Penn allerdings nicht, daß David Ostrander etwas so Simples und Naheliegendes tun würde.
    »Hören Sie«, sagte er zu dem Polizisten, bevor er in Davids Kabrio stieg, »ich denke, Sie sollten wissen, daß Mr.
    Ostrander eine Art Sonderling ist. Er schreibt Science-fiction-Romane. Ich weiß zwar nicht, was er damit bezweckt, aber meines Erachtens ist er gestern nacht absichtlich verschwunden. Jedenfalls glaube ich nicht, daß er entführt wurde oder von einem Bären angefallen oder irgend so was.«
    Die Polizisten musterten ihn nachdenklich.
    »Okay, Mr. Knowlton«, sagte einer der beiden. »Und jetzt fahren Sie uns wieder voraus, ja?«
    Vom Revier aus riefen sie die Nummer an, die Penn ihnen gab. Hanna, das Hausmädchen, meldete sich. Obwohl er gut fünf Meter vom Telefon entfernt stand, konnte Penn 302
    sie an der schrillen Stimme und ihrem deutschen Akzent erkennen. Dann kam Ginnie an den Apparat. Der Beamte teilte ihr mit, daß David Ostrander seit gestern abend um zehn vermißt werde, und erkundigte sich, ob sie inzwischen von ihrem Mann gehört habe. Nach dem ersten entsetzten Ausruf zu urteilen, der bis zu Penn gedrungen war, machte Ginnie sich Sorgen. Der Beamte am
    Schreibtisch ließ Penn nicht aus den Augen, während er mit ihr telefonierte.
    »Ja… wie war das?… Nein, kein Blut. Bis jetzt nicht die geringste Spur. Darum haben wir Sie ja angerufen.« Eine lange Pause. Der Polizist klopfte mit dem Bleistift auf den Tisch; Notizen machte er sich keine. »Verstehe … ja, ich habe verstanden … Wir halten Sie auf dem laufenden, Mrs.
    Ostrander.«
    »Kann ich noch mit ihr sprechen?« Penn streckte schon die Hand nach dem Hörer aus.
    Der Beamte zögerte kurz, dann sagte er: »Auf Wiederhören, Mrs. Ostrander«, und legte auf. »Also, Mr. Knowlton, würden Sie beschwören, daß die Geschichte, die Sie uns erzählt haben, der Wahrheit entspricht?«
    »Selbstverständlich.«
    »Ich frage nur, weil ich nämlich gerade ein erstklassiges Motiv geliefert bekommen habe. Ein Motiv dafür, Mr.
    Ostrander aus dem Weg zu räumen. Also, was haben Sie mit ihm gemacht – oder vielleicht auch zu ihm gesagt?«
    Der Polizist stützte sich mit den Handflächen auf die Schreibtischplatte und beugte sich weit nach vorn.
    »Bitte? Hören Sie, was hat sie Ihnen erzählt?«
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    »Daß Sie in sie verliebt sind und vielleicht den Wunsch hatten, ihr Mann möge von der Bildfläche verschwinden.«
    Penn rang um Fassung. »Ich habe gerade meinen Job gekündigt, um aus der Situation rauszukommen! Ich habe Mr. Ostrander gestern mitgeteilt, daß ich die

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