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Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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die Langeweile. In diesem Fall hat mir Ihr Traum eine glänzende Vorlage für die Inszenierung geliefert. Haben Sie gesehen, wie anschmieg-sam Ginnie jetzt ist? Und Sie hält sie für einen Obertrot-tel.« Lachend führte David seine Zigarette an die Lippen.
    In der nächsten Sekunde landete Penn den härtesten Schlag, den er je ausgeteilt hatte, an Davids Kinn. David fiel hintenüber, segelte, die Beine in der Luft, ein Stück weit durch den Raum und prallte mit dem Kopf gegen eine gut zwei Meter entfernte Wand.
    Penn warf seine restlichen Sachen in den Koffer und schmetterte den Deckel so heftig zu, als schlüge er noch immer auf David Ostrander ein. Er zerrte den Koffer vom Bett und wandte sich zur Tür.
    Ginnie verstellte ihm den Weg. »Was hast du ihm getan?«
    »Längst nicht das, was ich gern würde.«
    Ginnie stürzte an ihm vorbei, kniete neben David nieder, und Penn ging ungerührt hinaus.
    Hanna kam ihm auf dem Flur entgegen. »Ist was passiert, Mr. Knowlton?«
    »Nichts Ernstes. Leben Sie wohl, Hanna«, sagte Penn, der sich anstrengen mußte, das Kratzen in seiner Stimme 313
    zu bändigen. »Und danke für alles«, ergänzte er, bevor er sich zur Haustür wandte.
    »Er ist tot!« hörte man Ginnie wimmern.
    Hanna rannte nach hinten in Penns Zimmer. Penn zö-
    gerte, dann ging er weiter auf die Haustür zu. Dieses verlogene kleine Biest! Für einen dramatischen Effekt scheute sie vor rein gar nichts zurück!
    »Halten Sie ihn auf!« kreischte Ginnie. »Hanna, er versucht zu fliehen!«
    Penn stellte den Koffer ab und ging zurück. Er würde David ins Bad schleifen und seinen Kopf ins kalte Wasser tauchen.
    »Der ist nicht tot«, sagte Penn, als er ins Zimmer trat.
    Hanna stand mit angstverzerrter Miene neben David. Sie war den Tränen nahe. »Doch, Mr. Knowlton, er ist tot.«
    Penn bückte sich, um David hochzuziehen, aber seine Hand erstarrte, noch bevor er ihn berührt hatte. Etwas Glänzendes ragte aus Davids Hals, und Penn erkannte es sofort – das Heft seines Brieföffners, den er vergessen hatte einzupacken.
    Ein langgezogenes, irres Lachen – oder vielleicht war es auch ein weinerliches Schluchzen – erklang hinter ihm.
    Ginnie. »Du Ungeheuer! Jetzt hast du wohl rasch noch deine Fingerabdrücke abgewischt! Aber das wird dir nichts nützen, Penn! Hanna, rufen Sie auf der Stelle die Polizei.
    Sagen Sie ihnen, wir haben einen Mörder im Haus.«
    Hanna starrte sie entgeistert an. »Ich werde anrufen, Madam. Aber Sie waren es, die das Messer abgewischt hat.
    Mit Ihrem Rockzipfel haben Sie es abgewischt, als ich hereinkam.«
    314
    Penn blickte Ginnie durchdringend an. Sie beide waren noch lange nicht fertig miteinander.
    315

    Ein Mädchen wie Phyl

    Jeff Cormack schaute durch eine Panoramascheibe aufs Rollfeld des Kennedy-Flughafens und zog an einer Zigarette, von der er hoffte, daß es bis zum Einsteigen seine letzte bleiben würde. Zweimal schon war der Start an diesem nebligen Novembermorgen verschoben worden, hatten die Passagiere sich zerstreut und ihr Handgepäck zurück in die Abflughalle oder auf einen Drink an eine der Bars geschleppt.
    Und wieder ertönte die monotone Frauenstimme: »Die Passagiere des TWA-Fluges Acht-Null-Sieben nach Paris werden gebeten …« Die Durchsage ging in allgemeinem Seufzen und ungeduldigem Murren unter, so daß man sich anschließend reihum erkundigen mußte: »Hat sie jetzt gesagt, eine halbe Stunde?« – »Ja, ja, hab ich auch so verstanden.«
    Jeff nahm sein Köfferchen und wandte sich dem Ausgang zu, als er in knapp fünf Metern Entfernung ein Gesicht sah, vor dem er wie angewurzelt stehenblieb. Phyl.
    Nein, unmöglich. Dieses Mädchen war doch höchstens zwanzig. Aber die Ähnlichkeit! Die gleichen hellbraunen Augen mit den markant aufwärts gebogenen Außenwin-keln, die frischen, rosigen Wangen, das volle, weiche Haar in Phyls warmem Braunton. Und erst der Mund! Das Mädchen sah aus wie Phyl damals, als Jeff sie kennengelernt hatte. Gewaltsam riß er sich von der Erscheinung los 316
    und tastete nach seinem Köfferchen, das irgendwie wieder auf dem Boden gelandet war.
    Jeff war völlig verstört, seine Hände zitterten.
    Ich darf sie nicht noch mal ansehen, dachte er, darf nicht nach ihr Ausschau halten. Sie war offenbar für denselben Flug gebucht. Mechanisch, denn er hatte nichts weiter vor, als die nächste halbe Stunde totzuschlagen, schlenderte er auf die Bar zu. Wenn es so weiterging, würde die Ankunft in Paris sich erheblich verzögern, und er kam

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