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Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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»Ich bringe dich nämlich nach Hause.«
    Aus Gewohnheit steckte er den Käfig in eine braune Einkaufstüte und legte die Zeitung so darüber, daß man den Käfig nicht sehen konnte. Dann mußte er lächeln. Diesmal gab es keinen Grund, den Sittich zu verstecken! Aber er ließ den Käfig in der Tüte. Vielleicht war es doch am besten, wenn die Nachbarn so wenig wie möglich erfuhren.
    Das Haus war eines jener renovierten Sandsteingebäude, wo die Küche sich vorn im Souterrain befand und ein Hausmädchen die Tür öffnete; mit Mr. McKennys Sand-steinhaus hatte es nicht mehr gemein als ein Palast mit einer drittklassigen Pension. Das Mädchen warf einen Blick auf die unförmige Einkaufstüte.
    »Ah! Der Mann mit Felix! Ja! Kommen Sie herein!« Sie riß die Tür auf.
    »Danke.« Als Mr. McKenny den Eingangsraum betrat, hörte er Stimmengewirr. Zwei Männer, die wie Reporter aussahen, kamen aus einer Zimmertür. Und bevor Mr.
    McKenny die Flucht ergreifen konnte, lief eine blonde junge Frau an den beiden vorbei auf ihn zu.
    »Oh, Sie lieber, guter Mann! Sie haben Felix?« fragte sie aufgeregt.
    Mr. McKenny war umzingelt. Die Einkaufstüte wurde ihm aus der Hand gerissen. Irgend jemand holte den Käfig 143
    aus der Tüte, und beim Anblick des Vogels ertönte ein Schrei.
    »Das ist er, das ist Felix!« rief die junge blonde Frau.
    »Oooh!« Sie umarmte den Käfig und steckte Felix mit ihrer Aufregung förmlich an.
    Fotoapparate blitzten und klickten.
    »Erzählen Sie uns bitte, wie Sie den Wellensittich gefunden haben, Sir«, sagte ein Reporter Mr. McKenny direkt ins Gesicht. »Kommen Sie doch bitte hier herein, ja?«
    Alle Anwesenden, darunter einige weibliche Reporter, gingen in ein großes Wohnzimmer voll roter Rosen.
    »Das ist eine Supergeschichte. Sie wissen doch, wer Dianne Walker ist, oder?« fragte ihn der Reporter.
    »Ich bedaure sehr, aber –«
    »Sie ist der diesjährige Kassenknüller in Hollywood und am Broadway«, flüsterte der Mann Mr. McKenny ins Ohr.
    Mr. McKenny verstand nicht, was das bedeutete. Er vermutete, daß es sich um eine Schauspielerin handelte. Jetzt posierte sie mit Felix auf einem Finger mit rotlackiertem Nagel und machte einen Kußmund. Alle Augen richteten sich auf sie, und man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Wieder wäre Mr. McKenny am liebsten geflüchtet.
    Keine Belohnung, sei sie noch so hoch, konnte den Schaden dieser Art von Reklame wettmachen.
    »Sie hat uns gerade gesagt«, flüsterte ihm der Reporter ins Ohr, »daß sie heute abend nicht aufgetreten wäre, wenn sie ihren Vogel nicht zurückbekommen hätte. Sie sagt, Felix sei ihr Glücksbringer.«
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    Klick!
    »Sehr schön, Miss Walker, vielen Dank!«
    »Erzählen Sie uns, wie Sie den Wellensittich eingefangen haben?« fragte ihn eine der Reporterinnen.
    Die Kameras richteten sich auf Mr. McKenny.
    »Nun ja, ich – ich holte gerade meine eigenen Wellensittiche in ihren Käfigen heute morgen kurz vor acht von der Feuerleiter, und da –« In diesem Augenblick fiel Mr.
    McKennys Blick auf ein vertrautes Gesicht: das des jungen Reporters, der ihn im Monat zuvor interviewt hatte.
    »Sprechen Sie weiter, Mr. McKenny«, sagte er mit einem Lächeln und einer Geste, die Mr. McKenny nicht übermäßig freundlich erschienen. Er redete weiter. »Ich sah diesen Sittich – ich meine Felix – auf dem Geländer meiner Feuerleiter. Ich wußte, daß er keiner von meinen Vögeln sein konnte, weil ich keinen in dieser Farbe habe.«
    Dem jungen Reporter hatte er erzählt, er besitze keine eigenen Sittiche; das fiel ihm jetzt ein. »Und dann habe ich ihn gerufen – ich habe meine Vögel reingeholt und sie auf den Boden gesetzt – ich meine in ihren Käfigen. Und Felix habe ich gerufen, damit er auch kommt.«
    »Wußten Sie da schon, daß er Felix heißt?«
    »Nein. Ich meine, ich habe ihn so gerufen, wie man Vö-
    gel eben ruft. Und dann ist er gekommen, und ich habe das Fenster zugemacht. Ich hatte die Zeitung gekauft und sah, daß ein Sittich vermißt wurde, der aussah wie er.«
    »Sie wollen sagen, Sie haben das zufällig in der Zeitung gesehen?«
    »In welcher Zeitung?«
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    »Ich habe in der Zeitung nachgeschaut, um zu sehen, ob ein Sittich wie Felix entflogen war. Und dann habe ich sofort angerufen.«
    Miss Walker – sie trug einen engen schwarzen Pullover, Hosen, die aussahen, als wären sie aus Tigerfell geschnei-dert, und flache Ballerinas – trat zu ihm; sie hielt Geldscheine in der Hand. »Ich freue mich sehr,

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