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Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Beamten.
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    »Ich bin nach Hause gefahren … habe Platten gehört…
    ich war den ganzen Abend zu Hause«, sagte Robbie.
    »Gab es gestern Streit zwischen Ihnen und Mrs. Lucas?«
    Sie waren im Schlafzimmer, als diese Frage gestellt wurde, und Robbies Blick wanderte beklommen über die zerwühlte Bettdecke und die beiden Gläser, in denen ein Rest von verwässertem Scotch vor sich hin dümpelte.
    »Ja, wir hatten einen kleinen Streit«, gab Robbie zu.
    »Weswegen?«
    Robbie zuckte die Achseln und rieb sich wieder die Nase. »Es ist mir peinlich, darüber zu reden, aber wir haben uns gezankt, weil Lucy sich unbedingt öfter mit mir treffen wollte.« Sein selbstgefälliges Lächeln galt Joël.
    »Haben Sie sie geschlagen?« fragte der eine Polizist.
    »Leider, ja. Ich hab ihr eine gelangt. Sie hat zurückge-schlagen, darauf hab ich ihr einen Schubs gegeben, und sie ist aufs Bett gefallen.«
    »Und weiter?«
    »Nichts weiter. Danach bin ich gegangen.«
    »Hat sie Sie bedroht? Ihnen gesagt, wo sie hinwollte?«
    »Nein, aber wenn Sie meine Meinung hören wollen, dann hat sie sich ein Taxi gerufen, ist nach Philadelphia oder New York gefahren und hat die Nacht im Hotel verbracht – unter einem anderen Namen. Sie will erreichen, daß alle Welt sich ihretwegen Sorgen macht. Oder vielleicht versteckt sie sich auch bloß, weil sie ein blaues Auge hat, keine Ahnung.«
    Robbie scharrte mit den Füßen, dann ging er zur Tür. Aus seiner Sicht war die Vernehmung offenbar beendet.
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    Die beiden Polizisten schienen derselben Meinung. Einer sagte zu Joël: »Wir halten Sie auf dem laufenden, Mr.
    Lucas.«
    Betty Newman war am Fenster, als das Polizeiauto wegfuhr. Gleich darauf kam sie mit ihrem Sohn Chuckie im Schlepptau herüber.
    »Ist was passiert, Joël?« fragte sie.
    Joël machte ein sorgenvolles Gesicht. »Ich weiß nicht.
    Lucy ist verschwunden. Seit gestern beim Frühstück hab ich sie nicht mehr gesehen.«
    »Was?«
    Joël erklärte ihr den Sachverhalt und auch, warum er die Polizei eingeschaltet hatte. »Wann haben Sie meine Frau denn zuletzt gesehen, Betty?«
    »Gestern überhaupt nicht, glaube ich… Nein, bestimmt nicht. Aber ich gehe ja auch schon um halb neun aus dem Haus, und vor halb fünf bin ich nie zurück.« Betty arbeitete als Kassiererin in einem Diner an der Straße nach Pennerlake. Joël hatte gehört, daß ihr Mann vor drei Jahren mit einer anderen durchgebrannt sei. Betty ging auf die Vierzig zu. Eine ziemlich schlampige Person. Lucy hatte sich nie besonders gut mit ihr verstanden.
    »Ein … äh … Freund von uns hat Lucy gestern nachmittag besucht«, sagte Joël.
    »Ach ja, ich erinnere mich, daß ein blaues Kabrio in Ihrer Einfahrt stand, als ich von der Arbeit kam«, sagte Betty mit Unschuldsmiene. Dabei war Joël überzeugt, daß sie genauso gut über Lucy Bescheid wußte wie die übrige Nachbarschaft.
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    »Und wissen Sie vielleicht auch, ob Lucy mit dem Bekannten mitgefahren ist? So gegen fünf?«
    »Also das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen.«
    Das war genau die Antwort, die Joël hören wollte.
    »Haben Sie einen Verdacht? Glauben Sie, man hat Ihre Frau entführt, sie womöglich umgebracht?« fragte Chuckie Newman, der gespannt zugehört hatte.
    »Chuckie!« rief seine Mutter entsetzt.
    Joël spürte, wie er angemessen erbleichte. »Um Gottes willen, an so was wollen wir gar nicht denken.«
    Ins Haus zurückgekehrt, rief Joël die Merrills an. Sie sollten heute abend lieber nicht mit ihm und Lucy rechnen, sondern die Karten an ein anderes Paar weitergeben. Die Merrills klangen nicht allzu besorgt, baten ihn jedoch, sie zu verständigen, sobald er etwas Neues erführe.
    Am Sonntag wurde Joël morgens um acht von einem Anruf der Wache in Pennerlake geweckt.
    »Gestern abend hat sich eine gewisse Elinor Farrington bei uns gemeldet«, sagte der Beamte. »Sie hat die Vermiß-
    tenmeldung im Radio gehört, und sie erzählte uns von einem Mann, der ihr und zwei Knaben am Scrubby Mountain aufgefallen sei. Der Mann pflanzte dort einen Baum, und die jungen Leute machten sich einen Spaß daraus, ihn zu fragen, ob er da heimlich seine Frau begraben würde. Und der Mann sagte glatt ja. Gestern abend im Dunkeln konnten wir nichts mehr unternehmen, aber gleich heute früh haben wir die Stelle unter die Lupe genommen. Mr. Lucas, unter diesem frisch gepflanzten Baum lag tatsächlich eine 261
    Leiche, und der Beschreibung nach könnte es sich um Ihre Frau handeln. Wenn ich Sie also bitten

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