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Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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dürfte, zu uns aufs Revier zu kommen…«
    Joël sagte, er komme sofort. Er zog ein frisches Hemd an und seinen besten Anzug, für den Fall, daß ihm auf dem Revier auch die kleine Farrington begegnen würde.
    Sie hatten Lucy im Hinterzimmer auf einen Tisch gelegt.
    Joël identifizierte seine Frau.
    »Kennen Sie diese Decke, Mr. Lucas?« fragte der Polizist und zeigte ihm die alte Armeedecke.
    Joël nickte. »Ja, die gehört uns.«
    »Elinor Farrington hat uns den Mann beschrieben. Zirka eins fünfundsiebzig groß, um die Dreißig, bekleidet mit Kordhose und Sportmütze. Die Haarfarbe konnte sie nicht erkennen. Ich würde vorschlagen, Sie sprechen selber mit dem Mädchen.« Und er führte Joël in eine Art Warteraum.
    Dort saß das Mädchen, das jetzt einen Rock trug und sehr ernst und gesetzt wirkte, auf einem schlichten Holz-stuhl. Sie wiederholte ihre Beschreibung des Mannes, den sie und ihre Freunde im Wald überrascht hatten, und Joël, der in seinem dunkelblauen Anzug und dem weißen Hemd sehr seriös und adrett aussah, hörte aufmerksam zu.
    »Sie erinnert sich nicht, in der Nähe ein Auto gesehen zu haben«, sagte der Beamte zu Joël. Und an das Mädchen gewandt: »Ist das der Mann aus dem Wald, Miss Farrington?«
    Elinor Farrington musterte Joël eingehend von Kopf bis Fuß. »Ich glaube nicht. Nein, nein, das war ein ganz anderer Typ. Irgendwie verklemmt. Dauernd hat er an seiner 262
    Nase rumgefummelt, und in die Augen gucken konnte er mir auch nicht.«
    Der Polizeibeamte sah Joël an. »Haben Sie eine Ahnung, wer der Mörder sein könnte, Mr.Lucas?«
    »Mir kommt da zwangsläufig ein Verdacht«, sagte Joël zögernd. »Soviel ich weiß, war dieser Mann als letzter mit meiner Frau zusammen: Robbie Vanderholt. Schauen Sie nur, was sie anhatte… oder vielmehr nicht anhatte.« Er räusperte sich. »Ich denke, Vanderholt hat sie getötet. Ihre Leiche hat er vermutlich in der Decke da aus dem Haus geschafft, sie die Nacht über in seinem Wagen versteckt und gestern morgen begraben. Was soll ich sonst denken?«
    »Wir werden uns diesen Vanderholt noch mal vorknöpfen«, sagte der Polizist.
    Joël fuhr wieder heim.
    Kurz vor zwölf klingelte das Telefon, und die Polizei hatte große Fortschritte zu vermelden. Sie hatten mehrere Sportmützen und vier Paar Kordhosen in Vanderholts Schrank sichergestellt, eine davon alt und verdreckt. Sie hatten Vanderholt mitgenommen aufs Revier in Pennerlake, und die kleine Farrington hatte ihn identifiziert.
    »Vanderholt sagt, er war's nicht«, meinte der Beamte,
    »aber vielleicht dauert's nur ein paar Stunden, bis er ein-knickt.«
    Joël rief die Merrills an und berichtete erschüttert, was geschehen war: Robbie Vanderholt hatte Lucy getötet. Die Merrills waren Robbie ein paarmal begegnet, Joël wußte das.
    Sicher hatten sie auch Lucys Interesse an ihm bemerkt und sich zusammengereimt, daß er ihre neueste Eroberung war.
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    »Du armer Schatz!« rief Gert Merrill. »Möchtest du für ein paar Tage zu uns ziehen? Das Alleinsein ist jetzt bestimmt nicht gut für dich.«
    Joël versicherte tapfer, er habe sich im Griff und werde es schon schaffen. Das gleiche sagte er auch den Zabriskies und den Richardsons und ein paar anderen Freunden, die ihn anriefen, nachdem sie am Montag morgen die Zeitung gelesen hatten. Drei Wochen später war der Prozeß vorbei, Robbie Vanderholt schuldig gesprochen und zu fünfundzwanzig Jahren Haft in der Strafanstalt in Trenton verur-teilt. Bis zuletzt beteuerte er seine Unschuld und bezich-tigte Joël, dessen Frau im Zorn erschlagen zu haben. Aber die Fakten sprachen gegen ihn: Er besaß mehrere Kordhosen und etliche Sportmützen, er schnitt Grimassen und rieb sich ständig die Nase (sogar im Zeugenstand hatte er das getan), und die kleine Farrington hatte ihn zweifelsfrei identifiziert.
    Lucy hatte von ihrer Familie einen Treuhandfonds geerbt, der nun auf Joël überging und ihm jeden Monat hundertfünfzig Dollar zusätzlich einbrachte, eine Summe, die Lucy immer mühelos für sich allein verjubelt hatte. Joël hatte sie gewiß nicht wegen des Geldes getötet, aber bei seinem Gehalt bedeuteten hundertfünfzig Dollar mehr doch eine schöne Aufbesserung seines Einkommens. Er leistete sich ein paar Dinge, die er sich schon lange gewünscht hatte: eine Stereoanlage, ein paar neue Golfschläger und einen Smoking. Den brauchte er ganz besonders, da seine Freunde ihn ständig zu irgendwelchen Dinnerpartys einluden, um ihn mit diesem oder jenem

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