Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
Vom Netzwerk:
Joël. Vielleicht wurde Lucys Leiche niemals gefunden, aber wenn doch, dann würde die Spur direkt zu Robbie Vanderholt führen.
    In den zwanzig Minuten, die er noch brauchte, kam kein 255
    Mensch mehr vorbei. Als er fertig war, schulterte er seinen Spaten und ging, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Joël fuhr nach Hause und zog die alte graue Hose an, die er normalerweise am Wochenende trug. Dann schaffte er Kordhose und Mütze zusammen mit den Papierabfällen, die er immer samstags verbrannte, nach draußen und zündete in dem Drahtkorb hinterm Haus ein Feuer an.
    Sobald Kappe und Hose vollständig zu Asche zerfallen waren, ging er wieder hinein und rief die Merrills an.
    »Hallo Stan, hier Joël. Du, es geht um unsere Verabredung heute abend … also ich weiß nicht, wo Lucy steckt.«
    »Was soll das heißen?«
    »Es heißt, daß sie nicht zu Hause war, als ich gestern von der Arbeit kam. Ich hab schon ein paar Bekannte angerufen, aber es hat sie keiner gesehen.«
    »Hmm«, brummte Stan Merrill, vollkommen im Bilde.
    »Du meinst, du weißt wirklich nicht, wo sie zu erreichen ist?«
    »Na ja… ich könnt's wahrscheinlich noch bei ein paar anderen Leuten versuchen. Aber ich wollte vor allem nicht, daß ihr beide heute abend die Vorstellung versäumt. Das beste wird sein, ich ruf noch mal an, wenn ich sie gefunden habe. Kann sein, daß ihr heute nicht mehr nach Ausgehen ist… du verstehst schon.«
    »Klar.« Stan tat enttäuscht. »Aber halt uns auf dem laufenden, ja? Viel Glück, Joël.«
    Als nächstes schlug Joël im Telefonbuch von Philadelphia Robert Vanderholts Nummer nach und rief ihn an.
    »Ich hoffe, ich störe nicht«, sagte Joël, »aber wissen Sie 256
    zufällig, wo meine Frau ist?«
    Robbie lachte. »Nein, weiß ich nicht.«
    »Ach nein? Waren Sie denn nicht gestern nachmittag mit ihr zusammen? So gegen fünf?«
    »Ja, ich hab sie gestern besucht«, sagte Robbie. »Aber vielleicht hat sie hinterher einen langen Spaziergang gemacht.«
    »Wenn es so war, dann ist sie von diesem Spaziergang nicht zurückgekehrt. Sie hatten offenbar einen kleinen Streit mit ihr. Das Zimmer sah jedenfalls ziemlich wüst aus.«
    »Oh? Tut mir leid.«
    Joël straffte sich. »Im Ernst, Robbie, wo steckt sie? Ich hab die Spielchen satt.«
    »Mir geht's genauso. Als ich gegangen bin, war sie im Haus. Warum geben Sie auch nicht besser acht auf Ihre Frau?« Damit legte Robbie auf.
    Im ersten Moment war Joël wütend, dann lächelte er.
    Jetzt war es an der Zeit, die Polizei einzuschalten. Im In-formationsteil des Telefonbuchs für Pennerlake und Umgebung schlug Joël die Nummer nach, rief an und schilderte sein Problem. Ja, bei allen, die in Frage kamen, hatte er sich erkundigt. »Sechsundzwanzig Jahre alt, eins fünfundfünfzig groß, dunkelblond, blaue Augen, zirka fünfzig Kilo schwer.« So beantwortete Joël ihre Fragen.
    Die Polizei sagte, sie würden eine Vermißtenanzeige aufnehmen, und außerdem würde jemand bei ihm
    vorbeikommen.
    257
    Eine halbe Stunde später standen zwei Beamte vor der Tür. Während sie ihre Fragen stellten, ging Joël rauchend auf und ab. Anschließend sahen sie sich auch im Schlafzimmer um, wo Joël nichts angerührt hatte. Nein, nicht er habe einen Drink mit ihr genommen, sie habe Besuch gehabt, einen gewissen Robert Vanderholt. Selbstverständlich habe er den schon angerufen, aber Lucy sei nicht bei ihm.
    »Trotzdem… wie's aussieht, war er der letzte, der sie gesehen hat«, fügte Joël hinzu. »Jedenfalls, soweit mir bekannt ist. Er sagt, sie sei hiergewesen, als er ging.«
    »Und die Tagesdecke? Haben Sie die auch so vorgefun-den?« fragte einer der Polizisten.
    »Ja. Ziemlich zerwühlt, nicht… Ich… ich hab alles so gelassen, wie's war. Ich habe heute nacht auch nicht hier drin geschlafen.«
    Das führte zwangsläufig zu der Frage nach dem Verhältnis zwischen Lucy und Robbie, das Joël, nachdem er sich gebührend gesträubt hatte, verlegen enthüllte. »Vermutlich hatten sie eine Affäre … ja.«
    Dann machte die Polizei sich auf den Weg zu Robbie Vanderholt. Ungefähr eine Stunde später kamen sie mit Robbie zurück. Der gefiel sich in einer Schert-euch-zum-Teufel-was-hab-ich-damit-zu-tun-Pose, dabei aber doch so nervös, daß er immerfort Grimassen schnitt und sich die Nase rieb, was in Joels Augen einen schlechten Eindruck auf die Polizisten machte.
    »Sie haben sich also gestern nachmittag um fünf von Mrs. Lucas verabschiedet. Was haben Sie dann gemacht?«
    fragte einer der

Weitere Kostenlose Bücher