Die Augen der Toten 02 - Die Augen der Toten Teil 2
Marcks klang eingeschnappt. „Heute Nachmittag. Im Mövenpick vielleicht. Aber anscheinend bist du mal wieder auf dem Kriegspfad. Wir könnten auch später irgendwo ein Bier trinken gehen, wenn dir das eher zusagt.“
Vielleicht wäre es gar nicht so falsch, wenn ich mit jemandem redete, bevor ich mich in die Höhle des Löwen wagte. „Heute Abend kann ich nicht. Kaffee im Mövenpick ist schon in Ordnung.“
„Was hast du denn heute Abend vor?“
„Das glaubst du mir eh nicht.“
„Versuch es doch mal.“
Stefan Marcks war wie immer elegant gekleidet. Heute trug er einen dunkelbraunen Anzug, dazu ein weißes Hemd und schwarze Schuhe. Ich beobachtete ihn, wie er am Eingang stehen blieb und die feudal gedeckten Tische absuchte.
Zehn vor fünf. Er war zwanzig Minuten zu spät.
Ich hob eine Hand, und er kam in meine Richtung gelaufen. „Ich konnte nicht früher“, erklärte er, noch bevor er Platz genommen hatte. „Sorry.“
Ich fragte nicht weiter nach.
Die Bedienung, eine auf Dreißig heruntergeschminkte Mitvierzigerin mit toupierten Haaren und Papierkrönchen, kam an unseren Tisch stolziert. Wie schon beim ersten Mal, als ich einen Kaffee bestellt hatte, bemühte sie sich angestrengt, mir nicht ins Gesicht zu sehen.
Stefan war weniger taktvoll. „ Wow !“, rief er aus, nachdem wir unsere Bestellung aufgegeben hatten. „Schätze, die Flecken unter deinen Augen werden noch ein paar andere Farbtöne durchlaufen. Obwohl, blau gefällt mir eigentlich ganz gut. Passt zur Nase.“
„Sehr witzig“, gab ich zurück. „Wenn du mich nur treffen wolltest, um -“
Ich brach mitten im Satz ab, weil Stefan in Gelächter auszubrechen drohte. „Du klingst wie Duffy Duck.“
„Ach, leck mich doch!“
„Ist ja gut. Hör auf zu schmollen und erzähl mir lieber noch mal von dieser Sektengeschichte.“
„Es ist eine Bruderschaft. Keine Sekte.“
„Bruderschaft, Sekte, Orden – ist doch alles die gleiche Soße. Glaubst du wirklich, dass diese Wichtigtuer etwas mit Franks Tod zu tun haben könnten? Ich bitte dich, Philip, das sind doch Ammenmärchen. Deus Ex Machina. Gott aus der Maschine.“ Er lachte verächtlich. „Wenn ich das schon höre. Hat das überhaupt irgendeinen tieferen Sinn?“
„Geht wohl zurück auf das antike griechische Theater.“
„Dieses abgedrehte Stilmittel? Wo eine Gestalt an einer Seilkonstruktion auf die Bühne geflogen kommt und dem Helden aus der Patsche hilft?“
Ich nickte. „Die Bezeichnung selbst ist aber wohl erst in der Neuzeit kreiert worden. Als Synonym für einen unerwarteten Helfer in der Not.“
„Ist ja spannend“, sagte Stefan. „Der Name geistert doch schon seit ewig und drei Tagen über den Campus. Willst du mir weismachen, dass die jetzt auf einmal zum Verbrechersyndikat mutiert sind? So wie du über diese Hampelmänner redest, könnte man ja meinen, dass das allesamt tickende Zeitbomben sind. Obwohl“, er kniff die Augen zusammen, „sind die nicht kürzlich erst ins Gerede geraten? Wegen dieses Studenten, den man völlig zugedröhnt im Wald gefunden hat?“
„Michael Radebrecht“, bestätigte ich. „Kevin Siegmann, ein alter Schulfreund von mir, hat mir erzählt, dass er seitdem in der Psychiatrie liegt. Angeblich ist er kaum ansprechbar, aber ich werde wohl trotzdem mal hinfahren. Vielleicht bringt es ja was.“
„Kevin?“, hakte Stefan nach. „Ist das so ein Typ mit Bob Marley-Frisur und Ghettoattitüde?“
„Wieso?“
„Der war heute bei Eva. Hat wohl Sehnsucht nach dir. Du sollst dich bei ihm melden.“
„Gut. Vielleicht hat er Neuigkeiten für mich.“
Die Kellnerin platzierte zwei Gedecke mit Kuchen auf unserem Tisch.
„Danke“, sagte ich.
Sie würdigte mich keines Blickes.
„Und was soll Beekmann mit der Sache zu tun haben?“, fragte Stefan.
„Beekmann ist der Großmeister der Bruderschaft.“
Stefan brach in schallendes Gelächter aus. „Erzähl mir doch keinen Scheiß, Philip. Walter Beekmann in Gewand und Kapuze? Das glaubst du doch nicht im Ernst?“
„Warum wollte er sich das Video ansehen? Wieso hat er mir ein Gespräch angeboten?“
Stefan zuckte mit den Schultern. „Sag du es mir.“
„Weil Frank Informationen gesammelt hat, mit denen man den Laden auffliegen lassen kann.“
Stefan balancierte ein Stück Erdbeertorte auf der Gabel. „Wenn ich du wäre, würde ich mich nicht mit Beekmann anlegen wollen.“
„Wenn du ich wärst, würdest du im Moment ziemlich beschissen aussehen.“
Wir
Weitere Kostenlose Bücher