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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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solltest mir sagen, weswegen du gekommen bist«, sagte Peyna zu ihm.

    »Ja. Ja, gut.«
    Dennis zögerte einen Augenblick und rang um seine Fassung. Peyna wartete und bemühte sich, seine wachsende Aufregung zu meistern.
    »Seht«, sagte Dennis schließlich, »vor drei Nächten rief mich Thomas zu sich, damit ich bei ihm bleibe, wie er es manchmal tut. Und um Mitternacht, etwa zu der Zeit …«

84
    Dennis erzählte nun all das, was ihr bereits gehört habt, und man muss ihm lassen, dass er nicht versuchte zu lügen, was sein eigenes Entsetzen und seine Angst anbelangt, die er keineswegs beschönigte. Während er sprach, heulte draußen der Wind, das Feuer brannte nieder, und Peynas Augen brannten heißer und heißer. Es handelte sich um schlimmere Dinge, als er sich je vorzustellen gewagt hatte. Nicht nur hatte Peter den König vergiftet, Thomas hatte gesehen, wie er es tat.
    Kein Wunder, dass der junge König oft so schwermütig und deprimiert war. Vielleicht waren die Gerüchte, die in den Schänken gemunkelt wurden, wonach Thomas bereits halb den Verstand verloren hatte, doch nicht so weit hergeholt, wie Peyna stets angenommen hatte.
    Aber als Dennis verstummte, um noch Tee zu trinken (Arlen füllte seine Tasse mit dem bitteren Satz in der Kanne nach), nahm Peyna von dieser Vorstellung Abstand. Wenn Thomas gesehen hatte, wie Peter den König vergiftete, warum war Dennis dann jetzt hier … und hatte solche Todesangst vor Flagg?
    »Du hast noch mehr gehört«, sagte Peyna.
    »Aye, mein Lord Oberster Richter«, sagte Dennis.
    »Thomas … er tobte eine ganze Weile. Wir waren lange zusammen in der Dunkelheit.« Dennis bemühte sich, deutlicher zu werden, aber er
fand keine Worte, um das Grauen dieses engen Geheimgangs beschreiblich zu machen, wo Thomas vor ihm in der Finsternis kreischte und unten die wenigen noch lebenden Hunde des alten Königs bellten. Keine Worte, den Geruch des Ortes zu beschreiben - ein Geruch von Geheimnissen, die sauer geworden waren wie in der Dunkelheit verschüttete Milch. Keine Worte für die wachsende Angst, Thomas könnte im Griff seines Traumes den Verstand verloren haben.
    Er hatte immer wieder den Namen des Hofzauberers ausgerufen; er hatte den König angefleht, tief in den Kelch zu schauen und die Maus zu sehen, die gleichzeitig brannte und in dem Wein ertrank. Warum starrst du mich so an?, hatte er geschrien. Und dann: Ich habe Euch ein Glas Wein gebracht, mein König, um Euch zu zeigen, dass auch ich Euch liebe. Und schließlich schrie er Worte, die auch Peter wiedererkannt hätte, Worte, die über vierhundert Jahre alt waren: Es war Flagg! Flagg! Es war Flagg!
    Dennis griff nach der Tasse, führte sie halb zum Mund und ließ sie dann fallen. Die Tasse zerschellte auf dem Steinboden.
    Alle drei sahen die Keramikscherben an.
    »Und dann?«, fragte Peyna mit trügerisch sanfter Stimme.
    »Dann folgte lange Zeit nichts«, sagte Dennis mit stockender Stimme. »Meine Augen hatten … hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, und ich konnte ihn ein wenig sehen. Er schlief … schlief vor diesen beiden winzigen Löchern, das Kinn war ihm auf die Brust gesunken, die Augen hatte er geschlossen.«
    »Wie lange blieb er so?«

    »Mein Lord, ich weiß es nicht. Die Hunde waren wieder zur Ruhe gekommen. Und vielleicht bin ich … ich …«
    »Selbst ein wenig eingenickt? Ich glaube, das wäre möglich, Dennis.«
    »Später schien er dann zu erwachen. Jedenfalls öffnete er die Augen. Er schloss die kleinen Schiebetüren, und alles war wieder dunkel. Ich hörte, wie er sich bewegte, und zog die Beine an, damit er nicht darüber stolperte … sein Nachtgewand … strich über mein Gesicht …«
    Dennis verzog das Gesicht, als er sich an ein Gefühl erinnerte, als würden Spinnweben mit einem Flüstern über seine linke Wange gezogen.
    »Ich folgte ihm. Er ging hinaus … ich folgte ihm immer noch. Er machte die Tür zu, so dass sie wieder wie eine Mauer aussah. Er begab sich wieder in seine Gemächer, und ich folgte ihm.«
    »Ist euch jemand begegnet?«, fragte Peyna so schneidend, dass Dennis zusammenzuckte. »Irgendjemand?«
    »Nein. Nein, mein Lord Oberster Richter. Niemand.«
    »Ah.« Peyna entspannte sich. »Das ist ausgezeichnet. Ist in dieser Nacht sonst noch etwas geschehen?«
    »Nein, mein Lord. Er ging ins Bett und schlief wie ein Toter.« Dennis zögerte, dann fügte er hinzu: »Ich habe keine Sekunde geschlafen, und seither schlafe ich überhaupt nicht mehr besonders gut.«
    »Und am

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