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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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oder von eigener Hand gestorben. Jeder in Delain wusste, dass der junge König äußerst schwermütig war.
    »Nein … das heißt … ja … aber nein … nicht so, wie Ihr es meint … wie ich glaube, dass Ihr es meint …«
    »Komm dichter ans Feuer!«, schnappte Peyna. »Arlen, steh nicht herum und halte Maulaffen feil! Hol eine Decke! Hol zwei! Wickle diesen Jungen darin ein, bevor er sich zu Tode schlottert wie ein Buggerlugkäfer!«
    »Ja, mein Lord«, sagte Arlen. Er hatte in seinem Leben noch nie Maulaffen feilgehalten, und das wusste Peyna auch. Aber er erkannte den Ernst der Situation und entfernte sich hastig. Er nahm die beiden Decken von seinem eigenen Bett - die beiden einzigen anderen in dieser besseren Bauernhütte waren die Peynas - und brachte sie ins Wohnzimmer. Er gab sie Dennis, der sich ans
Feuer drängte, so nahe es ging, ohne in Flammen aufzugehen. Der Raureif, der sein Haar bedeckte, begann zu schmelzen und wie Tränen an seinen Wangen herabzurinnen. Dennis wickelte sich in die Decken.
    »Und jetzt Tee. Starken Tee. Eine Tasse für mich, eine Kanne für den Jungen!«
    »Mein Lord, wir haben nur noch eine halbe Büchse im ganzen...«
    »Zum Teufel damit, wie viel wir haben. Eine Tasse für mich, eine Kanne für den Jungen.« Er überlegte. »Mach dir auch eine Tasse, Arlen. Und dann komm hierher und höre gut zu.«
    »Mein Lord?« Selbst seine makellose Schulung konnte nicht verhindern, dass er nun verblüfft die Brauen hochzog.
    »Verdammt!«, fluchte Peyna. »Willst du mich glauben machen, dass du so taub geworden bist wie ich? An die Arbeit!«
    »Ja, mein Lord«, sagte Arlen und machte sich daran, den letzten Tee im Haus aufzubrühen.

83
    Peyna hatte nicht alles von dem vergessen, was er einst von der erlesenen Kunst des Verhörs beherrscht hatte; um die Wahrheit zu sagen, er hatte verdammt wenig vergessen - davon und von allem anderen. Er hatte manchmal lange Nächte wach gelegen und sich gewünscht, er könnte bestimmte Dinge vergessen.
    Während Arlen Tee kochte, machte Peyna sich an die Aufgabe, diesen verängstigten - nein, diesen entsetzten - jungen Mann zu beruhigen. Er erkundigte sich nach Dennis’ Mutter. Er erkundigte sich, ob die Abwasserprobleme, die dem Schloss in letzter Zeit so zu schaffen gemacht hatten, beseitigt worden seien. Er fragte Dennis nach seiner Meinung über die Aussaat im Frühling. Er vermied jedes Thema, das gefährlich werden konnte … und während Dennis sich aufwärmte, beruhigte er sich auch nach und nach.
    Als Arlen den heißen und starken und dampfenden Tee servierte, trank Dennis die halbe Tasse in einem Zug, verzog das Gesicht und schlürfte dann den Rest. Arlen schenkte ihm teilnahmslos wie eh und je neuen ein.
    »Sachte, Junge«, sagte Peyna schließlich und zündete seine Pfeife an. »Mit heißem Tee und scheuen Pferden muss man vorsichtig umgehen.«
    »Kalt. Ich dachte, ich würde auf dem Weg hierher beim Gehen erfrieren.«

    »Du bist zu Fuß hier?« Peyna konnte seine Überraschung nicht verhehlen.
    »Ja. Ich ließ meine Mutter den anderen Dienern ausrichten, ich würde mit der Grippe darniederliegen. Das wird alle ein paar Tage lang hinhalten, so ansteckend wie sie um diese Jahreszeit ist … sollte es jedenfalls. Zu Fuß. Den ganzen Weg. Wagte nicht, bei jemandem mitzufahren. Wollte nicht gesehen werden. Wusste nicht, dass es so weit ist. Hätte ich es gewusst, wäre ich vielleicht doch gefahren. Ich machte mich um drei Uhr auf.« Er schien mit sich zu kämpfen, sein Adamsapfel hüpfte, dann platzte er heraus: »Und ich gehe nicht wieder zurück, niemals! Ich habe gesehen, wie er mich ansieht, seit er wieder zurück ist! Aus zusammengekniffenen Augenwinkeln, aus dunklen Augen! Er hat mich noch nie so angesehen - eigentlich hat er mich überhaupt nicht angesehen! Er weiß, dass ich etwas gesehen habe! Er weiß, dass ich etwas gehört habe! Er weiß nicht was, aber er weiß, dass da etwas ist! Er hört es in meinem Kopf, wie ich das Läuten der Kirche der Großen Götter höre! Wenn ich bleibe, wird er es aus mir herausbekommen. Ich weiß es!«
    Peyna sah den Jungen unter einer gerunzelten Stirn an und versuchte, hinter den Sinn dieses verblüffenden Ausbruchs zu kommen.
    Tränen standen in Dennis’ Augen. »Ich meine F…«
    »Langsam, Dennis«, sagte Peyna. Seine Stimme war mild, seine Augen nicht. »Ich weiß, wen du meinst. Es ist am besten, den Namen nicht laut auszusprechen.«
    Dennis sah ihn mit schlichter, tumber Dankbarkeit an.
    »Du

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