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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Arlen.
    »Gut. Dann werden wir uns morgen nicht mit schweren Köpfen auf den Weg machen müssen, nicht wahr?«
    »Mein Lord?«
    »Arlen, wir drei brechen morgen früh nach Norden auf. Ich weiß es, und du weißt es. Dennis sagt, in Delain geht die Grippe um - das mag so sein; jedenfalls aber gibt es einen, der umgeht und unserer habhaft werden möchte. Wir gehen um unserer Gesundheit willen.«
    Arlen nickte bedächtig.
    »Es wäre ein Verbrechen, den guten Wein für den Steuereintreiber zurückzulassen. Also trinken wir ihn … und dann gehen wir zu Bett.«
    »Wie Ihr befehlt, mein Lord.«
    Peynas Augen funkelten. »Aber bevor du zu Bett gehst, wirst du noch einmal auf den Dachboden gehen und die
Decke holen, die du entgegen meiner strikten und klaren Anweisung bei dem Jungen gelassen hast.«
    Arlen sah Peyna mit aufgerissenen Augen an. Peyna ahmte sein Staunen bühnenreif nach. Und zum ersten und letzten Mal in seinen Diensten als Peynas Diener lachte Arlen laut auf.

86
    Peyna ging zu Bett, konnte aber nicht schlafen. Nicht das Tosen des Windes hielt ihn wach, sondern das kalte Lachen in seinem Kopf.
    Als er dieses Lachen nicht mehr ertragen konnte, stand er auf, ging wieder ins Wohnzimmer und nahm vor der erkaltenden Asche Platz; das weiße Haar umgab seinen Kopf wie Wölkchen. Ohne zu wissen, wie komisch er aussah (und wenn er es gewusst hätte, hätte es ihn nicht gekümmert), saß er, in seine Decke gewickelt, vor dem Kamin wie der älteste Indianer des Universums.
    Hochmut kommt vor dem Fall, hatte seine Mutter zu ihm gesagt, als er noch ein Kind gewesen war, und Peyna hatte es verstanden. Stolz ist ein Witz, der den Fremden in dir früher oder später zum Lachen bringt, das hatte sie ihm auch gesagt, und das hatte er nicht verstanden … jetzt verstand er es. Heute Nacht lachte der Fremde in ihm wirklich sehr herzlich. So laut, dass er nicht schlafen konnte, obwohl der nächste Tag lang und schwierig sein würde.
    Peyna sah sehr klar die Ironie seiner Position. Sein ganzes Leben lang hatte er dem Gesetz gedient. Vorstellungen wie »Gefängnisausbruch« und »bewaffnete Rebellion« hatten ihn stets entsetzt. Das war immer noch so, aber gewissen Wahrheiten musste er sich stellen. Dass die Maschinerie der Revolte in Delain in Gang gesetzt worden war zum Beispiel. Peyna wusste, die Adligen,
die nach Norden geflohen waren, nannten sich »Verbannte«, aber er wusste auch, es fehlte nicht mehr viel, und sie würden sich »Rebellen« nennen. Und wenn er diese Revolte verhindern wollte, war es vielleicht notwendig, die Maschinerie der Rebellion dazu zu benutzen, einem Gefangenen zu helfen, aus der Nadel auszubrechen. Das war der Witz, über den der Fremde in ihm so lauthals lachte, dass an Schlaf nicht im Entferntesten zu denken war.
    Solche Vorgehensweisen wie die, über die er jetzt nachdachte, liefen seinen Einstellungen völlig zuwider, aber er würde dennoch weitermachen, auch wenn er dabei umkam (was durchaus sein konnte). Peter saß zu Unrecht im Gefängnis. Delains rechtmäßiger König saß nicht auf dem Thron, sondern war in einer kalten Zelle in der Spitze der Nadel eingesperrt. Und wenn es einer Horde Gesetzloser bedurfte, Gerechtigkeit walten zu lassen, dann sollte es geschehen. Aber …
    »Die Servietten«, murmelte Peyna. Sein Verstand kreiste ständig um die Servietten. »Bevor wir uns bewaffneter Männer bedienen, um den gesetzmäßigen König zu befreien und auf den Thron zu setzen, muss die Sache mit den Servietten untersucht werden. Er muss gefragt werden. Dennis … und der Junge der Staads, vielleicht … ja …«
    »Mein Lord?«, fragte Arlen hinter ihm. »Ist Euch nicht wohl?«
    Arlen hatte gehört, wie sein Herr aufgestanden war, wie dies ja bei Dienern meistens der Fall ist.
    »Mir ist nicht wohl«, stimmte Peyna düster zu. »Aber es ist nichts, was ein Arzt kurieren könnte, Arlen.«
    »Das tut mir leid, mein Lord.«

    Peyna drehte sich zu Arlen um und richtete den Blick seiner hellen, tief liegenden Augen auf den Diener.
    »Bevor wir zu Gesetzlosen werden, möchte ich wissen, warum er um das Puppenhaus seiner Mutter gebeten hat … und um Servietten zu den Mahlzeiten.«

87
    »Zurück ins Schloss?«, fragte Dennis am nächsten Morgen mit einer heiseren Stimme, die fast ein Flüstern war. »Dorthin, wo er ist?«
    »Wenn du es nicht kannst, werde ich dich nicht zwingen«, sagte Peyna. »Aber ich glaube, du kennst das Schloss so gut, dass du ihm nicht über den Weg laufen wirst. Das heißt,

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