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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Nacht für alles entschädigen.
    Sein Seil, seine Beine, sein Glück. Entweder würde alles halten oder alles zerbrechen, möglicherweise gleichzeitig. Einerlei. So spärlich es bisher gewesen war, er würde seinem Glück vertrauen.
    »Heute Nacht«, murmelte er und wandte sich vom Fenster ab … aber beim Essen geschah etwas, was ihn seine Meinung ändern ließ.

90
    Peyna und Arlen hatten den ganzen Dienstag gebraucht, um die zehn Meilen zum Hof von Reechul zurückzulegen, und sie waren reichlich erschöpft, als sie dort ankamen. Schloss Delain war doppelt so weit entfernt, aber Dennis hätte schon um zwei Uhr ans Westtor klopfen können - wenn er verrückt genug gewesen wäre, so etwas zu tun -, obwohl er auch am Tag zuvor einen langen Fußmarsch zurückgelegt hatte. Das macht natürlich den Unterschied zwischen jungen und alten Männern aus. Was er hätte tun können, war jedenfalls einerlei, denn Peynas Anweisungen waren sehr deutlich gewesen (besonders für einen Mann, der behauptete, nicht die leiseste Vorstellung zu haben, was er tat), und Dennis wollte sie buchstabengetreu befolgen. Als Folge dessen sollte es noch eine Weile dauern, bevor er das Schloss betrat.
    Nachdem er nicht ganz die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatte, hielt er nach einem Platz Ausschau, an dem er sich die nächsten paar Tage verkriechen konnte. Bisher war ihm niemand auf der Straße begegnet, aber die Mittagsstunde war schon verstrichen und bald würden die Leute vom Markt im Schloss nach Hause gehen. Dennis wollte vermeiden, dass ihn jemand sah und erkannte. Schließlich sollte er zu Hause krank im Bett liegen. Er musste nicht allzu lange suchen, bis er einen Unterschlupf fand, der ihm genügte. Es war ein verlassenes Bauernhaus, das einstmals gepflegt gewesen, nun aber
allmählichem Verfall preisgegeben war. Dank Thomas dem Steuerbringer gab es viele solche Gebäude entlang des Weges, der zum Schloss führte.
    Dennis blieb bis zum späten Samstagnachmittag dort - insgesamt vier Tage. Zu diesem Zeitpunkt waren Ben Staad und Naomi bereits auf dem Rückweg aus den Weiten Wäldern zu Peynas Bauernhaus, und Naomi holte aus den Schlittenhunden heraus, was sie geben konnten. Hätte Dennis das gewusst, hätte ihn dieses Wissen ein wenig beruhigt - aber natürlich wusste er es nicht, und daher fühlte er sich sehr einsam.
    In den oberen Stockwerken gab es nirgendwo etwas zu essen; aber im Keller fand er ein paar Kartoffeln und eine Handvoll Rüben. Er aß die Kartoffeln (Dennis hasste Rüben, hatte sie immer gehasst und würde sie immer hassen), aus denen er mit dem Messer die verfaulten Stellen herausschnitt - und das bedeutete, er schnitt von jeder Kartoffel drei Viertel ab. Zurück blieben eine Handvoll von weißen Kugeln so groß wie Taubeneier. Er aß ein paar, sah zu den Rüben in der Gemüsekiste und seufzte. Ob er sie mochte (nein) oder nicht (ja), er vermutete, dass er sie am Freitag essen musste.
    Wenn ich hungrig genug bin, dachte Dennis hoffnungsvoll, schmecken sie vielleicht gut. Vielleicht verschlinge ich diese alten Rüben geradezu und bettle um mehr!
    Schließlich musste er doch einige von ihnen essen, auch wenn es ihm gelang, sie bis Samstagmittag nicht anzurühren. Zu diesem Zeitpunkt sahen sie immerhin schon ganz gut aus, aber so hungrig er war, sie schmeckten immer noch abscheulich.
    Dennis, der vermutete, dass die vor ihm liegenden Tage sehr hart sein würden, aß sie dennoch.

91
    Im Keller fand Dennis auch ein Paar alte Schneeschuhe. Die Riemen waren viel zu lang, aber er hatte genügend Zeit, sie zu kürzen. Die Schnürsenkel waren halb vermodert, aber er dachte, sie würden für seine Zwecke genügen. Er würde sie nicht lange brauchen.
    Er schlief im Keller, weil er unliebsame Überraschungen fürchtete, aber die hellen Stunden dieser vier langen Tage verbrachte er im Wohnzimmer des verlassenen Bauernhauses und sah dem Verkehr in beiden Richtungen nach - die wenigen Passanten waren normalerweise zwischen drei und fünf Uhr unterwegs, bis die Schatten der frühen Dämmerung das Land überzogen. Das Wohnzimmer war jetzt ein einsamer, trauriger Ort. Einst war es eine Stätte der Fröhlichkeit gewesen, wo eine Familie sich versammelt hatte, um über den gerade vergangenen Tag zu sprechen. Nun gehörte es nur noch den Mäusen … und Dennis natürlich.
    Nachdem Peyna gehört hatte, wie Dennis von sich sagte, dass er für einen Diener ziemlich gut lesen und schreiben könne, und er ihn einmal die Großen Buchstaben

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