Die Augen des Drachen - Roman
beifällig zulächelten.
Viele Jungen in Peters Alter wären sich ihrer eigenen gehobenen Stellung im großen Ablauf der Ereignisse wahrscheinlich zu bewusst gewesen und hätten nur mit Angehörigen ihrer Schicht gespielt, aber Peter freundete sich mit einem Jungen namens Ben Staad an, als beide acht Jahre alt waren. Bens Familie war nicht von königlichem Geblüt, und wenngleich Andrew Staad, Bens Vater, von Seiten seiner Mutter eine Spur vom hohen Blut des Königreichs in den Adern hatte, konnte man sie nicht als Adelige bezeichnen. »Landjunker« war wohl die gnädigste Bezeichnung für Andrew Staad, und »Landjunkers-Sohn« für seinen Jungen. Über die einst wohlhabende Familie Staad waren harte Zeiten hereingebrochen,
und ein Prinz hätte sich zwar seltsamere Freunde suchen können, aber gewiss nicht viele.
Als Peter acht Jahre alt war, lernten sie sich beim alljährlichen Rasenfest der Bauern kennen. Das Rasenfest war ein Ereignis, welches den meisten Königen und Königinnen langweilig war; meist machten sie nur einen Pflichtbesuch, tranken rasch auf das Wohl der Bauern und zogen sich dann schnell zurück, nachdem sie den Bauern viel Vergnügen gewünscht und sich für ein weiteres fruchtbares Jahr bedankt hatten (auch dies war ein Ritual, selbst wenn die Ernte schlecht ausgefallen war). Wenn Roland auch so ein König gewesen wäre, so hätten Peter und Ben kaum eine Chance gehabt, einander kennenzulernen. Aber ihr könnt euch sicher schon denken, dass Roland das Rasenfest der Bauern über alles gefiel, er freute sich jedes Jahr darauf und blieb für gewöhnlich bis zum Ende (und mehr als einmal wurde er volltrunken und laut schnarchend weggetragen).
Der Zufall wollte es nun, dass Ben und Peter beim dreibeinigen Sackhüpfen ein Team bildeten, und sie gewannen … wenn auch nicht so überlegen, wie es anfangs ausgesehen hatte. Sie führten um beinahe sechs Längen, als sie strauchelten und Peter sich eine Schnittwunde am Arm holte.
»Es tut mir leid, mein Prinz!«, rief Ben. Sein Gesicht war aschfahl, und er sah sich im Geiste vielleicht schon im Kerker (ich weiß, dass sein Vater und seine Mutter ihn ganz sicher dort sahen; wenn es das Unglück nicht gäbe, knurrte Andy Staad gern, würden die Staads das Wort »Glück« überhaupt nicht kennen); wahrscheinlich aber tat es ihm nur leid, dass er jemandem Schmerzen zugefügt hatte, oder er war verblüfft darüber, dass
das Blut des künftigen Königs ebenso rot war wie sein eigenes.
»Sei kein Narr«, sagte Peter ungeduldig. »Es war meine Schuld, nicht deine. Ich war ungeschickt. Rasch, steh auf. Sie holen uns ein.«
Die beiden Jungen waren durch den Sack, in dem Peters rechtes und Bens linkes Bein mit einer Schnur eng zusammengebunden worden waren, in ein unbeholfenes dreibeiniges Tier verwandelt worden, und so schafften sie es nur mit Mühe aufzustehen und weiterzutorkeln. Beiden hatte der Sturz den Atem geraubt, und ihr großer Vorsprung war dahingeschmolzen. Als sie sich der Ziellinie näherten, wo eine Meute Bauern (ganz zu schweigen von Roland, der sich nicht im Mindesten genierte oder sich gar fehl am Platze vorkam) johlend warteten, holten zwei große, schwitzende Bauernjungen auf. Es schien beinahe unabwendbar, dass sie Peter und Ben auf den letzten Metern überholen würden.
»Schneller, Peter!«, bellte Roland und schwang einen riesigen Krug Met mit solchem Nachdruck, dass er sich das meiste davon über den eigenen Kopf schüttete. Aber in seiner Aufregung bemerkte er es gar nicht. »Kaninchen, mein Sohn! Sei ein Kaninchen! Diese Bauerntölpel sitzen euch im Nacken und haben euch beinahe schon eingeholt!«
Bens Mutter begann zu wimmern und verfluchte das Schicksal, das ihren Sohn mit dem Prinzen zusammengeführt hatte.
»Wenn sie verlieren, wird er unseren Ben in den tiefsten Kerker des Schlosses werfen lassen«, jammerte sie.
»Still, Frau«, sagte Andy. »Das wird er nicht. Er ist ein guter König.« Er glaubte fest daran, und dennoch hatte
er Angst. Das einzige Glück der Staads war schließlich bekanntermaßen Un-Glück.
Derweil begann Ben zu kichern. Er konnte es selbst kaum glauben, aber er tat es. »Hat er wirklich gesagt, sei ein Kaninchen?«
Peter begann ebenfalls zu kichern. Seine Beine schmerzten furchtbar, Blut lief an seinem rechten Arm hinab, Schweiß rann ihm übers Gesicht, das begann, eine interessante Pflaumenfärbung anzunehmen, aber auch er konnte nicht aufhören. »Ja, das hat er gesagt.«
»Dann lass uns
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