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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Befehl erteilte. Hätte Peter dies tatsächlich gesagt - hätte er da im Staub vor ihm gestanden und gesagt: Leg das weg. Leg das weg, habe ich gesagt, denn ich werde eines Tages König sein, König, hast du gehört, also leg es weg!, dann hätte Yosef verächtlich gelacht, in die Hände gespuckt und dem lahmen Pferd mit einem einzigen Hieb seiner kräftigen Arme den Garaus gemacht. Aber Peter musste es nicht eigens betonen; der Befehlston war seiner Stimme deutlich anzumerken, und es stand in seinen Augen zu lesen.
    »Dein Vater wird davon erfahren, mein Prinz«, sagte Yosef.
    »Und wenn er es von dir erfährt, wird er es zum zweiten Male hören«, antwortete Peter. »Ich werde dich ohne weiteren Einwand deine Arbeit tun lassen, Lord Stallmeister, wenn ich dir eine einzige Frage stellen darf und du sie mit Ja beantwortest.«
    »Stell deine Frage«, sagte Yosef. Der Junge beeindruckte ihn fast gegen seinen Willen. Als er Yosef sagte,
dass er, Peter, seinem Vater zuerst von dem Vorfall berichten würde, da wusste Yosef, dass es ihm ernst war - in den Augen des Jungen stand die schlichte Wahrheit zu lesen. Zudem hatte ihn noch niemals jemand Lord Stallmeister genannt, und das gefiel ihm.
    »Hat der Pferdedoktor dieses Pferd gesehen?«, fragte Peter.
    Yosef war vom Donner gerührt. »Das ist deine Frage? Das?«
    »Ja.«
    »Ihr gütigen Götter, nein!«, brüllte er, und als er sah, wie Peter zusammenzuckte, senkte er die Stimme, kauerte vor dem Jungen nieder und versuchte, es ihm zu erklären. »Ein Pferd mit gebrochenem Bein ist hinüber, Hoheit. Für immer. Das Bein heilt niemals wieder richtig. Gefahr einer Blutvergiftung. Schröckliche Schmerzen für das Tier. Schröckliche Schmerzen. Schließlich wird sein armes Herz versagen, oder es bekommt Hirnfieber und wird verrückt. Verstehst du nun, warum ich sagte, dass dieser Hammer eine Barmherzigkeit ist und keine Mordwaffe?«
    Peter dachte mit gesenktem Kopf lange und ernsthaft darüber nach. Yosef schwieg und kauerte in einer eher unbewussten Haltung der Unterwerfung vor ihm; er ließ ihm Zeit.
    Peter hob den Kopf und sagte: »Du behauptest, jeder sagt das?«
    »Jeder, Hoheit. Selbst mein Vater …«
    »Dann wollen wir sehen, ob der Pferdedoktor das auch sagt.«
    »Oh … PAH!«, bellte der Stallmeister und schleuderte den Hammer über den ganzen Hof. Er flog in einen
Schweinepferch und blieb mit dem Kopf nach unten im Schlamm stecken. Die Schweine grunzten und quiekten und verfluchten ihn in ihrem Schweinelatein. Yosef war, wie Flagg, nicht daran gewöhnt, dass man ihm Einhalt gebot, daher achtete er gar nicht auf sie.
    Er stand auf und stapfte davon. Peter sah ihm besorgt nach, er war sich sicher, dass er im Unrecht war und für diese kleine Sache ausgepeitscht werden würde. Dann, als der Stallmeister den Hof halb überquert hatte, drehte er sich um, und widerstrebend erhellte ein grimmiges Lächeln sein Gesicht, gleich einem Sonnenstrahl an einem grauen Morgen.
    »Geh und hol den Pferdedoktor«, sagte er. »Hol ihn selbst, Sohn. Du findest ihn in seiner Praxis am Ende der Dritten Ostgasse, möchte ich meinen. Ich gebe dir zwanzig Minuten. Wenn du bis dahin nicht mit ihm zurück bist, werde ich dem Pferd den Hammer ins Gehirn dreschen, Prinz oder nicht Prinz!«
    »Ja, Lord Stallmeister!«, rief Peter. »Danke!« Er eilte davon.
    Als er schnaufend und atemlos mit dem jungen Pferdedoktor zurückkam, war sich Peter sicher, dass das Pferd bereits tot sein musste; der Stand der Sonne verriet ihm, dass dreimal zwanzig Minuten verstrichen waren. Doch der neugierige Yosef hatte gewartet.
    Pferdedoktor und Veterinärmediziner waren damals noch ganz neue Berufe in Delain, und dieser junge Mann war erst der dritte oder vierte überhaupt, welcher diesem Gewerbe nachging, daher war Yosefs griesgrämiger und misstrauischer Gesichtsausdruck nicht gerade überraschend. Der Pferdedoktor war auch nicht glücklich darüber gewesen, von dem schwitzenden Prinzen,
dessen Augen weit aufgerissen waren, von seiner Arbeit fortgeholt zu werden, aber als er den Patienten sah, verrauchte sein Zorn augenblicklich. Er kniete vor dem Pferd nieder und betastete das gebrochene Bein sanft, und während er das tat, summte er leise durch die Nase. Das Pferd bewegte sich einmal, als etwas, was er tat, ihm Schmerzen bereitete. »Halt still, altes Mädchen«, sagte der Pferdedoktor ruhig, »halt ganz still.« Das Pferd beruhigte sich wieder. Peter betrachtete das alles voll schmerzlicher Erwartung. Yosef

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