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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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gelungen, dieses Misstrauen durch eine Mischung aus Furcht und Faszination in Schach zu halten, aber Flagg wusste, sollte Roland jemals vermuten, Flagg könnte eine unrühmliche Rolle beim Tod seines Sohnes gespielt oder ihn gar verursacht haben …
    Flagg konnte sich sogar Situationen vorstellen, in denen
er zu Peters Gunsten eingreifen musste, um die Sicherheit des Jungen zu gewährleisten. Eine verdammte Zwickmühle. Verdammt!
    Er muss aus dem Weg geschafft werden. Muss aus dem Weg geschafft werden! Muss!
    Und während Tage, Wochen und Monate verstrichen, wurde dieser Trommelschlag in Flaggs Verstand immer drängender. Roland wurde mit jedem Tag älter und schwächer; Peter wurde mit jedem Tag älter und klüger, und damit wurde er zu einem immer gefährlicheren Gegner. Was konnte Flagg unternehmen?
    Flaggs Gedanken kreisten immer und immer wieder um diese Frage. Er wurde mürrisch und reizbar. Die Diener, besonders Peters Diener Brandon und Brandons Sohn Dennis, machten einen großen Bogen um ihn und erzählten einander manchmal flüsternd von den schrecklichen Gerüchen, die nachts aus seinem Laboratorium herausdrangen. Besonders Dennis, der eines Tages seines Vaters Stelle als Peters Kammerdiener einnehmen würde, grauste es vor Flagg, und einmal fragte er seinen Vater, ob er ihm etwas bezüglich des Hofzauberers sagen dürfe. »Wegen Peters Sicherheit, nur an sie denke ich«, sagte Dennis.
    »Kein Wort«, sagte Brandon und maß Dennis, der selbst noch ein Junge war, mit einem strengen Blick. »Kein Wort wirst du sagen. Der Mann ist gefährlich.«
    »Aber ist das denn nicht noch mehr Grund …?«, begann Dennis schüchtern.
    »Ein Tölpel mag das Rasseln einer Beißerschlange für das Kullern von Murmeln in einem hohlen Gefäß halten und die Hand ausstrecken, um sie zu berühren«, sagte Brandon, »aber unser Prinz ist kein Tölpel, Dennis.

    Und nun bring mir noch ein Glas Gin - und kein Wort mehr davon.«
    Und so sprach Dennis nicht mehr davon und sagte nichts zu Peter, aber seine Liebe zu seinem jungen Herrn und seine Furcht vor dem Ratgeber des Königs wuchsen nach diesem Gespräch noch. Wann immer er Flagg in seinem wallenden Mantel mit der Kapuze einen der Flure des Schlosses entlangeilen sah, wich er zitternd beiseite und dachte: Beißerschlange! Beißerschlange! Sieh dich vor, Peter! Und hüte dich vor ihm!
    Und dann, eines Nachts, als Peter sechzehn war und Flagg zu der Überzeugung gelangt war, dass es wirklich keine Möglichkeit gab, den Jungen aus dem Weg zu räumen, ohne dabei selbst ein untragbares Risiko einzugehen, ergab sich eine Lösung. Es war eine wilde Nacht. Ein schrecklicher Herbststurm heulte und tobte um das Schloss, und die Straßen von Delain waren verlassen, da die Menschen Schutz vor dem eisigen Regen und dem heftigen Wind suchten.
    Roland hatte sich von der Feuchtigkeit eine Erkältung geholt. Dieser Tage erkältete er sich zunehmend leichter, und Flaggs Medizinen, so stark sie waren, verloren bei ihm ihre heilende Wirkung. Aus einer dieser Erkältungen - vielleicht sogar aus der, die ihn gerade zum Husten und Schnaufen brachte - würde schließlich die Feuchte Lungenkrankheit werden, und die würde ihn umbringen. Magische Medizin wirkt anders als die Medizin von Ärzten, und Flagg wusste, dass einer der Gründe, weshalb die Medizin, die er dem König verabreichte, nicht mehr so wirkte wie früher, war, dass er im Grunde nicht mehr wollte, dass sie funktionierten. Er ließ Roland nur aus dem Grund am Leben, weil er Peter fürchtete.

    Ich wünschte, du wärst tot, alter Mann, dachte Flagg mit kindischem Zorn, während er vor einer flackernden Kerze saß und lauschte, wie draußen der Wind heulte und drinnen der doppelköpfige Papagei schläfrig mit sich selbst murmelte. Für wenig - für sehr wenig sogar - würde ich dich selbst umbringen, für all den Ärger, den ihr, du und deine dumme Frau und dein ältester Sohn, mir gemacht habt. Das Vergnügen, dich zu töten, wäre es beinahe wert, meinen Plan aufzugeben. Das Vergnügen, dich zu töten …
    Plötzlich erstarrte er, richtete sich auf und starrte in die Dunkelheit seines unterirdischen Gemachs, wo die Schatten sich unbehaglich bewegten. Seine Augen glitzerten silbrig. Ein Einfall leuchtete wie eine Fackel in seinem Verstand.
    Die Kerzenflamme loderte leuchtend grün empor und erlosch.
    »Tod!«, kreischte einer der Papageienköpfe in der Dunkelheit.
    »Mord!«, kreischte der andere.
    In der Dunkelheit, von niemandem gesehen,

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