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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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verkniffenen Gesicht sah Flagg alle seine Hoffnungen erfüllt. »Wenn Ihr zur Amtszeit meines Vaters geschützt wart, weil Ihr sein Ratgeber wart, würdet Ihr dann nicht auch geschützt sein, wenn Ihr mein Ratgeber seid, wenn ich jetzt König bin?«
    Flagg schien angestrengt und ernst nachzudenken. »Ja … ich denke schon … wenn du Peyna deutlich machen würdest … sehr deutlich, dass jedes Vorgehen gegen mich das königliche Missfallen auf sich ziehen würde. Sehr großes königliches Missfallen …«
    »Oh, das würde ich!«, fiel ihm Thomas eifrig ins Wort. »Das würde ich! Werdet Ihr also bleiben? Bitte? Wenn Ihr geht, werde ich mich wirklich umbringen! Ich weiß nicht, was man als König machen muss, daher werde ich es wirklich tun!«
    Flagg stand mit gesenktem Kopf da; sein Gesicht lag im tiefen Schatten, und er schien intensiv nachzudenken. In Wirklichkeit lächelte er.
    Aber als er den Kopf hob, war sein Gesicht ernst.
    »Ich habe dem Königreich Delain beinahe mein ganzes Leben lang gedient«, sagte er, »und ich nehme an, wenn du mir befehlen würdest zu bleiben … zu bleiben und dir nach meinem besten Vermögen zu dienen...«
    »Dann befehle ich es dir!«, rief Thomas mit verzagter, fiebriger Stimme.
    Flagg sank auf ein Knie. »Mein Lord!«, sagte er.
    Thomas warf sich erleichtert schluchzend in Flaggs Arme. Flagg fing ihn auf und hielt ihn.
    »Nicht weinen, mein kleiner Lord König«, flüsterte er. »Alles wird gut. Ja, für dich und mich und das Königreich wird alles gut werden.« Sein Grinsen wurde breiter und entblößte sehr weiße, sehr kräftige Zähne.

47
    In der Nacht, bevor er auf dem Platz der Nadel gekrönt werden sollte, konnte Thomas kein Auge zutun, und in den frühen Morgenstunden wurde er von einem furchtbaren Anfall von Brechreiz und Durchfall ergriffen, wofür seine Nervosität verantwortlich war - Lampenfieber. Lampenfieber hört sich albern und komisch an, aber für Thomas hatte die Situation nichts Albernes oder Komisches an sich. Er war immer noch ein kleiner Junge, und was er in der Nacht (wenn wir alle allein sind) empfand, war ein Entsetzen von solchem Ausmaß, dass man es getrost als Todesangst bezeichnen konnte. Er läutete nach einem Diener und befahl ihm, Flagg zu holen. Den Diener beunruhigten Thomas’ bleiche Gesichtsfarbe und der Geruch von Erbrochenem im Zimmer, und er rannte den ganzen Weg und wartete kaum auf das Herein von Flagg, bevor er hineinplatzte und dem Zauberer berichtete, der junge Prinz sei wirklich sehr, sehr krank und würde vielleicht sterben.
    Flagg, der sich gut vorstellen konnte, um was für eine Krankheit es sich handelte, trug dem Diener auf, seinem Herrn mitzuteilen, er käme in Kürze, und er sollte sich keine Sorgen machen. Er war nach zwanzig Minuten dort.
    »Ich werde es nicht schaffen«, stöhnte Thomas. Er hatte sich in sein Bett erbrochen, und die Laken stanken erbärmlich. »Ich kann nicht König sein, ich kann
es nicht, bitte, Ihr müsst verhindern, dass es so weit kommt, wie kann ich es durchhalten, wenn ich Angst haben muss, dass ich mich vor Peynas Augen übergebe und vor allen anderen oder … oder...«
    »Alles wird gut werden«, sagte Flagg ruhig. Er hatte ein Gebräu gemischt, welches Thomas’ Magen beruhigen und seine Eingeweide eine Zeit lang verschließen würde. »Trink dies.«
    Thomas trank.
    »Ich werde sterben«, sagte er, als er das Glas beiseitestellte. »Ich werde mich nicht umbringen müssen. Mein Herz wird vor Angst zerspringen. Mein Vater hat gesagt, dass Kaninchen in Fallen manchmal auf diese Weise sterben, auch wenn sie nicht schlimm verletzt sind. Und genau das bin ich. Ein Kaninchen in einer Falle, das vor Angst stirbt.«
    Teilweise hast du recht, lieber Tommy, dachte Flagg. Du wirst zwar nicht aus Angst sterben, wie du denkst, aber du bist wahrhaftig ein Kaninchen in der Falle.
    »Ich glaube, du wirst deine Meinung ändern, was das anbelangt«, sagte Flagg. Er hatte noch einen zweiten Trunk gemacht. Er war von wölkchenrosa Farbe - ein besänftigender Farbton.
    »Was ist das?«
    »Etwas, das deine Nerven beruhigt und dich schlafen lässt.«
    Thomas trank es. Flagg saß neben ihm am Bett. Wenig später schlief Thomas tief - so tief, dass der Diener, wenn er ihn gesehen hätte, vielleicht geglaubt hätte, seine Prophezeiung sei eingetreten und Thomas tatsächlich gestorben. Flagg nahm die Hand des schlafenden Jungen in seine und tätschelte sie mit so etwas wie Liebe. Auf
seine Weise liebte er Thomas

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