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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Traditionen muss man bezahlen, auch wenn man von königlichem Geblüt ist, mein kleiner Prinz.« Beson rieb den linken Daumen und Zeigefinger aneinander. Die rechte Faust blieb fest um den Metallzylinder geballt.
    »Wenn Ihr damit andeuten wollt, dass Ihr ab und zu eine Bezahlung wünscht - das ließe sich vielleicht arrangieren«, erklärte Peter, der immer noch zurückwich. »Aber nur, wenn Ihr Euer närrisches Verhalten sofort sein lasst.«
    »Angst, ja?«
    »Wenn jemand Angst haben sollte, dann Ihr«, sagte Peter. »Ihr habt offenbar vor, den Bruder des Königs von Delain anzugreifen.«
    Dieser Schuss traf ins Schwarze, und Beson wurde einen Augenblick unsicher. Dann sah er zur geöffneten Klappe der Tür, erblickte seine beiden Unterwachmänner, und sein eigenes Gesicht wurde wieder dunkler. Wenn er jetzt einen Rückzieher machte, dann würde er mit den beiden Ärger bekommen - selbstverständlich nichts, mit dem er nicht fertigwerden konnte, aber dennoch mehr Ärger, als dieser kleine Stinker wert war.
    Er schnellte ruckartig vorwärts und schwang die verstärkte Faust. Er grinste. Die Schreie des Prinzen, wenn er mit zerschmetterter und blutender Nase zu Boden fiel, dachte Beson, würden schrill und babyhaft sein.
    Peter wich mühelos zurück, seine Füße bewegten sich
so anmutig wie bei einem Tanz. Er packte Besons Faust und war von deren Gewicht nicht im Mindesten überrascht - er hatte das Metall zwischen Besons dicken Fingern schimmern sehen. Peter zog mit einer Stärke, die Beson noch vor fünf Minuten nicht erwartet hatte. Er schoss durch die Luft und prallte mit einem Aufschlag gegen die Mauer von Peters »Wohnzimmer«, der die wenigen noch verbliebenen Zähne in seinem Kiefer wackeln ließ. Sterne explodierten in seinem Kopf. Der Metallzylinder fiel aus seiner Faust und rollte über den Boden. Und bevor Beson sich von seiner Überraschung erholen konnte, war Peter hinzugesprungen und hatte ihn ergriffen. Er bewegte sich mit der grazilen Gewandtheit einer Katze.
    Das kann nicht sein, dachte Beson mit zunehmendem Unbehagen und tumber Überraschung. Das kann unmöglich sein.
    Er hatte niemals Angst davor gehabt, die beiden Zellen in der Spitze der Nadel zu betreten, denn hier war noch nie ein Gefangener gewesen, nicht von Adel und nicht von königlichem Geblüt, der sich mit ihm messen konnte. Oh, hier oben hatten einige berühmte Kämpfe stattgefunden, aber er hatte ihnen allen gezeigt, wer der Boss war. Vielleicht hatten sie den Pöbel unten beherrscht, aber hier oben war er der Boss, und alle lernten, seine schmutzige, gedrungene Kraft zu respektieren. Und nun kam dieser Frischling von einem Jungen …
    Beson brüllte vor Wut, löste sich von der Wand, schüttelte den Kopf, um wieder zu Sinnen zu kommen, und stürmte auf Peter zu, der den Metallzylinder nun in die eigene Hand genommen hatte. Mit offenem Mund stierten die Unterwachmänner auf das unerwartete Geschehen.
Keiner von ihnen dachte auch nur daran, einzugreifen; sie verstanden ebenso wenig, was gerade geschah, wie Beson selbst.
    Beson rannte mit ausgestreckten Armen auf Peter zu. Nun, da ihm der Prinz das Fausteisen weggenommen hatte, hatte Beson kein Interesse mehr an dem Rudern und Schlagen auf kurze Distanz, das er »Boxen« nannte. Er wollte nah an Peter herankommen, mit ihm ringen, ihn zu Fall bringen, sich auf ihn setzen und ihn bewusstlos würgen.
    Aber Peter verschwand mit magischer Plötzlichkeit von der Stelle, wo er eben noch gestanden hatte, trat beiseite und kauerte sich nieder. Als der ungeschlachte, trollähnliche Oberwärter vorbeistürmte und versuchte, sich umzudrehen, schlug Peter ihn dreimal mit der rechten Faust, die er nun seinerseits um den Metallzylinder geschlossen hatte. Bestimmt nicht fair, dachte Peter, aber schließlich war nicht ich es, der dieses Stück Metall mitgebracht hat, oder? Die Schläge sahen gar nicht sonderlich schlimm aus. Hätte Beson dem Kampf zugesehen und diese drei raschen, scheinbar quirligen Hiebe gesehen, dann hätte er gelacht und sie als »Memmenschläge« abgetan. Besons Vorstellung von einem Männerhieb war ein Rundschlag, bei dem die Faust durch die Luft pfiff.
    Aber es waren keineswegs Memmenschläge, ganz gleich, was jemand wie Beson denken mochte. Jeder kam aus der Schulter, wie Peters Boxlehrer es ihm bei dem Training beigebracht hatte, das er seit sechs Jahren zweimal die Woche absolviert hatte. Die Schläge waren ökonomisch, sie brachten die Luft nicht zum Pfeifen, aber Beson war

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