Die Augen des Drachen - Roman
einen Stuhl, um zu sitzen, wenn Ihr …« Er verzog das Gesicht. »Wenn Ihr damit spielt.«
»Und wie viel würde das kosten?«
»Lediglich drei Gulden, würde ich sagen.«
»Ich habe kein Geld.«
»Ah, aber Ihr kennt mächtige Leute.«
»Nicht mehr«, sagte Peter. »Ich habe einen Gefallen für einen Gefallen erbeten, das ist alles.«
»Dann setzt Euch auf den Boden und holt Euch Frostbeulen am Hintern dabei und seid verflucht!«, knurrte
Beson und verließ das Zimmer. Die kleine, angenehme Flut der Gulden, die ihn überschwemmt hatte, seit Peter in die Nadel gekommen war, war offensichtlich versiegt. Das machte Beson für einige Tage äußerst übellaunig.
Peter wartete, bis er alle Riegel einrasten gehört hatte, bevor er die geflochtene Matte anhob, auf die Ben den Daumen gepresst hatte. Darunter fand er ein Stück Papier, das nicht größer war als die Briefmarke auf einem Brief. Beide Seiten waren vollgeschrieben, und es war kein Freiraum zwischen den Buchstaben. Die Buchstaben waren wirklich winzig - Peter musste die Augen zusammenkneifen und vermutete, dass Ben den Brief mit Hilfe eines Vergrößerungsglases geschrieben hatte.
Peter - vernichte diesen Zettel, wenn du ihn gelesen hast. Ich glaube nicht, dass du es getan hast. Andere denken sicher ebenso. Ich bin noch dein Freund. Ich liebe dich wie früher. Dennis glaubt es auch nicht. Wenn du meine Hilfe brauchst, schick Peyna eine Nachricht. Verliere nicht den Mut.
Als er dies las, füllten Peters Augen sich mit heißen Tränen der Dankbarkeit. Ich glaube, wahre Freundschaft lässt uns stets solche Dankbarkeit empfinden, denn die Welt scheint meistens eine sehr raue Wüste zu sein, und die Blumen, die dort erblühen, erblühen gegen jede Wahrscheinlichkeit. »Guter alter Ben«, flüsterte er wieder und wieder. Mit seinem überströmenden Herzen wusste er nichts anderes zu sagen. »Guter alter Ben! Guter alter Ben!«
Zum ersten Mal hatte er das Gefühl, dass sein Plan, der zugegebenermaßen kühn und gefährlich war, eine Aussicht auf Erfolg haben könnte.
Dann dachte er an den Brief. Ben hatte sein Leben
riskiert, um ihm zu schreiben. Ben war adlig - gerade noch -, aber nicht von königlichem Geblüt und daher auch nicht sicher vor dem Beil des Henkers. Wenn Beson oder einer seiner Schakale diesen Brief fanden, dann würden sie erraten, dass einer der Jungen, die das Puppenhaus getragen hatten, ihn geschrieben hatte. Der Tölpelhafte sah aus, als könnte er nicht einmal die Großbuchstaben in einem Kinderbuch lesen, geschweige denn so winzige schreiben wie diese hier. Also würden sie nach dem anderen Jungen suchen, und von da bis zum Richtplatz könnte es dann ein kurzer Weg für Ben sein.
Ihm fiel nur eine sichere Methode ein, den Brief zu beseitigen, und er zögerte nicht; er knüllte ihn zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand zusammen und verschluckte ihn.
70
Ihr habt inzwischen sicher schon erraten, wie Peters Fluchtplan aussah, denn ihr wisst eine ganze Menge mehr als Peyna, als er Peters Ersuchen las. Wie dem auch sei, die Zeit ist gekommen, es euch frei heraus zu sagen. Er hatte vor, aus Fäden ein Seil zu machen. Die Fäden würden natürlich von den Rändern der Servietten stammen. An dieses Seil wollte er sich zum Boden hinablassen und so entkommen. Nun werden einige von euch sich sicher halb totlachen über diesen Einfall. Fäden von Servietten, um aus einem Turm zu entkommen, der hundert Meter hoch ist ?, werdet ihr fragen. Entweder bist du verrückt, Geschichtenerzähler, oder aber Peter war es!
Nichts dergleichen. Peter wusste sehr wohl, wie hoch die Nadel war, und er dachte, er dürfte niemals zu gierig sein und zu viele Fäden von einer Serviette abreißen. Wenn er zu viel abriss, würde jemand bestimmt sehr neugierig werden. Das musste nicht einmal der Oberwärter sein; es konnte die Wäscherin sein, die die Servietten wusch und bemerkte, dass von jeder ein Stück fehlte. Sie konnte es einer Freundin gegenüber erwähnen, diese gegenüber einer anderen Freundin … und so würde sich die Geschichte verbreiten … Ihr müsst wissen, dass Peter sich wegen Beson keine Gedanken machte. Beson war, das kann man getrost sagen, ein einfältiger Bursche.
Flagg dagegen nicht.
Flagg hatte seinen Vater ermordet …
… und Flagg konnte das Gras wachsen hören.
Es war jammerschade, dass Peter sich niemals über den leicht muffigen Geruch der Servietten Gedanken machte oder fragte, ob die Person, welche die königlichen
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