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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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bedeckte. Peter lächelte zum ersten Mal, seit er an diesen kalten, hochgelegenen Ort gekommen war. Auf Wangen und Kinn war der Schatten eines Bartes zu erkennen, der in diesen beiden zugigen Zimmern lang und dicht werden sollte; Peter sah recht verzweifelt aus … bis er lächelte. Das Lächeln erhellte das Gesicht mit magischem Zauber, machte es kräftig und strahlend, zu einem Fanal, dem Soldaten im Kampf zustreben konnten, hätte man meinen können.
    »Ben«, murmelte er und nahm die Serviette an einer Ecke hoch. Seine Hand zitterte ein wenig. »Ich wusste, dass du es tun würdest. Danke, mein Freund. Danke.«
    Das Erste, was Peter mit seiner ersten Serviette tat, war, sich die Tränen abzuwischen, die ihm nun in Strömen über die Wangen flossen.
    Die Klappe in der starken Holztür wurde geöffnet. Zwei Unterwachmänner sahen herein, wie die beiden Köpfe von Flaggs Papagei, sie drängten sich Wange an ungepflegter Wange vor dem winzigen Fenster.
    »Ich hoffe, das Baby vergisst nicht, sich das Kinnchen abzuwischen!«, spottete einer mit höhnisch trällernder Stimme.

    »Ich hoffe, das Baby vergisst nicht, sich das Eichen vom Hemdchen abzuwischen!«, rief der andere, woraufhin sie beide in abfälliges Gelächter ausbrachen. Aber Peter würdigte sie keines Blickes, und sein Lächeln schwand nicht.
    Die Wachmänner sahen dieses Lächeln und machten keine Witze mehr. Es hatte etwas an sich, das Witze verbot.
    Schließlich schlossen sie die Luke wieder und ließen Peter allein.
    Auch mit dem Mittagessen kam eine Serviette.
    Und mit dem Abendessen ebenfalls.
    Die Servietten wurden Peter in den nächsten fünf Jahren regelmäßig in seine einsame Zelle unter dem Himmel gebracht.

69
    Das Puppenhaus wurde am dreißigsten Tag der Regentschaft von Thomas dem Lichtbringer gebracht. Mittlerweile erblühten Modilien, die ersten Vorboten des Frühlings (die wir Engelsauge nennen), hübsch anzusehen am Wegesrand. Mittlerweile hatte Thomas der Lichtbringer auch ein Gesetz unterschrieben, welches die Steuern der Bauern erhöhte; es wurde schnell als Toms Schwarze Steuer bekannt. Der neue Lieblingswitz in den Schänken und Trinkhallen lautete, dass der König seinen königlichen Namen bald in Thomas der Steuerbringer ändern würde. Die Erhöhung betrug nicht acht Prozent, was gerecht gewesen wäre, oder achtzehn, was erträglich gewesen wäre, sondern achtzig Prozent. Thomas hatte anfänglich seine Zweifel gehabt, aber Flagg hatte nicht lange gebraucht, sie zu zerstreuen.
    »Wir müssen mehr Steuern auf das erheben, was sie selbst uns melden, damit wir wenigstens einen Teil dessen bekommen, was uns von dem zusteht, das sie vor dem Steuereintreiber verstecken«, sagte Flagg. Thomas, dessen Kopf benommen war vom Wein, der nun im Schloss unaufhörlich floss, hatte genickt und gehofft, ein möglichst weises Gesicht dabei zu machen.
    Peter für seinen Teil hatte begonnen zu befürchten, dass das Puppenhaus im Laufe der Jahre verloren gegangen sei - und das entsprach auch fast der Wahrheit. Ben Staad hatte Dennis beauftragt, es zu suchen. Nach
mehrtägigem ergebnislosem Suchen hatte er sich seinem lieben alten Vater anvertraut - dem einzigen Menschen, an den er sich mit einem so ernsten Anliegen zu wenden wagte. Brandon hatte ebenfalls noch einmal fünf Tage gebraucht, um das Puppenhaus in einem der kleineren Lagerräume im neunten Stock des Westturms zu finden, wo die fröhlichen Kunstrasen und langen, weitläufigen Flügel des Gebäudes unter einer uralten (und ein wenig mottenzerfressenen) Decke verwahrt waren, die mit den Jahren grau geworden war. Alle ursprünglichen Möbelstücke waren noch im Haus, und es hatte Brandon und Dennis und einen Soldaten, den Peyna höchstpersönlich ausgesucht hatte, weitere drei Tage gekostet, alle scharfen Gegenstände daraus zu entfernen. Dann endlich wurde das Puppenhaus zugestellt - zwei Jungen kämpften sich die dreihundert Stufen mit dem schweren, sperrigen Ding, das zwischen ihnen auf einem Brett festgesteckt war, empor. Beson folgte dicht hinter ihnen und fluchte und drohte ihnen schrecklichste Strafen an, sollten sie es fallen lassen. Der Schweiß rann den beiden Jungs in Sturzbächen über die Gesichter, aber keiner antwortete etwas darauf.
    Als die Tür von Peters Gefängnis geöffnet und das Puppenhaus hereingebracht wurde, keuchte Peter überrascht - nicht nur, weil das Puppenhaus schließlich doch noch gebracht worden war, sondern weil es sich bei einem der Träger um Ben Staad

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