Die Augen Rasputins

der nicht. Und ich bin immer in der Nähe. «

    »Versprochen? «

    fragte sie.

    »Versprochen «, sagte er. Und dann kam dieses Gefühl der Vertrautheit. Die Stahltür war offen, die Türen rechts und links daneben geschlossen. In der Werkstatt war es dunkel. Aber sie fand den Lichtschalter gleich beim ersten Greifen. Es war reine Gewohnheit, vor drei Wochen hatte sie zuletzt danach getastet. Da hatte Albert Retling angerufen, hatte gefragt, ob sie ihm am Nachmittag helfen könne. Er arbeitete nur noch selten, nur noch, wenn es sich um Aufträge handelte, die ihn reizten. Eine interessante Arbeit, hatte er gesagt, phantastische Steine.

    »Wo sind die Retlings? «

    fragte sie so beiläufig wie möglich, während eine Neonröhre an der Decke aufflammte. Zuerst reagierte er nicht, tat so, als hätte er ihre Frage nicht gehört. Er wies in den kleinen Raum hinein, zeigte mit einer großartigen Geste über das Inventar, die Esse mit den Gasflaschen daneben, der schwere Panzerschrank, der Arbeitstisch an der gegenüberliegenden Wand, die darüber an einem Brett befestigten Werkzeuge, die Walze rechts von der Tür.

    »Na, was sagst du, Püppi? Ist doch alles komplett, oder? Du kannst dich hinsetzen und anfangen. Das Ding da «, er zeigte zu den Gasflaschen hinüber,»funktioniert. Ist alles da, was du brauchst. «

    Sie nickte einmal flüchtig und leicht benommen. Auf der Tür des Panzerschranks steckten beide Schlüssel. Hinsetzen und anfangen? Sie begriff nicht gleich, was er damit meinte. Oder sie begriff es schon, aber es war einfach zu ungeheuerlich. Sie wiederholte ihre Frage nach den beiden alten Leuten, fügte auch hinzu:

    »Die sind doch hier im Haus. «

    Sie schaute ihm ins Gesicht und wartete auf die Antwort. Er schien ein bißchen unsicher, aber das schien nur so, und das auch nur für einen Moment. Dann grinste er bereits, legte beide Hände auf ihre Schultern und schaute ihr seinerseits ins Gesicht.

    »Püppi «, sagte er so gedehnt, als ob er an ihren Verstand appellieren müßte,»hätt’ ich sie in ihrer Klitsche lassen sollen, damit sie uns die Bullen auf den Hals hetzen!? Und das hätten sie getan, das weißt du genausogut wie ich. Die tun einem ins Gesicht freundlich, und wenn man den Rücken gedreht hat, ist man für sie wieder der letzte Dreck. Außerdem mußte ich ja irgendwie ins Haus kommen, vor allem hier rein, ohne daß es in der Nachbarschaft großartig auffällt. «

    Sein Blick suggerierte Zuversicht, Sicherheit und Vertrauen.

    »Aber du brauchst dir auch wegen denen keine Sorgen zu machen, die kriegen gar nicht mit, daß du hier bist. Du bleibst hier unten, und sie bleiben oben. Peter sorgt schon dafür, daß sie nicht mal in die Nähe der Treppe kommen. Ich bring’ dir heut’ abend ’ne Liege runter, hab’ ich extra für dich besorgt. Das Klo ist hier gleich nebenan, da ist auch ein Becken, da kannst du dich waschen, wenn du willst. Ich hab’ mir das alles reiflich überlegt. Ich hatt’ ja auch Zeit genug dafür. Ist doch gut so, oder meinst du nicht? «

    Er schaute sie an, fragend, auffordernd. Sie nickte.

    »Natürlich «, murmelte sie.

    »Das ist in Ordnung. «

    Er nickte ebenfalls, grinste immer noch, ein bißchen schelmisch.

    »Ist alles optimal, wenn du ihnen aus dem Weg gehst, glaub mir, darfst nur nicht nach oben kommen. Aber das brauchst du ja auch nicht. Ich hab’ dir damals gesagt, ich will kein unnötiges Risiko eingehen. Für dich ganz bestimmt nicht. «

    Als Edmund das Gebäude verließ, spürte er immer noch den unbändigen Drang, in der Stadt herumzufahren. Ein absolut blödsinniges Verlangen, es erschreckte ihn selbst, machte ihm so deutlich, daß er auf dem besten Weg war, sich seinen Patienten anzuschließen. Es fiel ihm schwer, den Wagen ganz gezielt in eine bestimmte Richtung zu lenken. Aber dann fuhr er, so schnell der dichte Verkehr es zuließ. Es hatte zu nieseln begonnen, nicht genug, um die Scheibenwischer ausreichend zu beanspruchen. Intervall-schaltung, jedesmal, wenn die Wischerblätter hochkamen, zuckte er leicht zusammen. Vielleicht war es nur Patrizias Handschrift, die mit den Wischerblättern vor seinen Augen auf und ab fuhr, dieser eine Satz am Rand eines Zeitungsausschnitts. Es tut mir leid, Ed. Und ihre Stimme vom Abend zuvor, das schnelle ›Eddi!‹ mehrmals hintereinander, als ob sie sich selbst bestätigen müsse, wem sie sich hingab. Wer hatte ihm damals noch gesagt:

    »Du machst einen Fehler, alter Junge. Du denkst, du hast die