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Die Augen Rasputins

Die Augen Rasputins

Titel: Die Augen Rasputins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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einmal. Alles, was du hast. Gerichtsakten, Zeitungsberichte und ihr Tagebuch. «

    Wozu das gut sein sollte, wußte er selbst nicht. Er kannte das alles zur Genüge. Es gab darin keinen Anhaltspunkt. Nur Schramms frühere Adresse, die brachte ihn jetzt nicht weiter.

    »Warum schaust du nicht einfach ins Telefonbuch? «

    fragte Dorothea verständnislos. Sie erhob sich und ging in den Flur. Im Vorbeigehen griff sie nach den Schultern ihrer Tochter und schob das Mädchen ein Stück vor sich her in Richtung Küche.

    »Kaffee machen «, sagte sie dabei,»und mach ihn schön stark. Ich brauche auch einen. Und einen Cognac. «

    Sekunden später stand sie mit dem Telefonbuch neben Edmund. Während sie zu blättern und Vornamen vor sich hin zu murmeln begann, erklärte Edmund sachlich:

    »Du wirst ihn nicht finden. Er ist erst vor vierzehn Tagen rausgekommen. Und die Zeit hat er nicht genutzt, um eine Wohnung zu suchen, sondern Patrizia. Ich frage mich nur, wie er sie gefunden hat. Wo konnte er sich nach ihr erkundigen? «

    Er schaute Paul an, aber der zuckte nur mit den Schultern, und Dorothea erklärte:

    »Ich suche auch nicht nach ihm. Er lebte damals bei seiner Mutter. Sie ist nach dem Prozeß umgezogen, aber er wird gewußt haben, wohin. Er wird erst einmal bei ihr untergekrochen sein. Vielleicht hat er mit ihr über seine Pläne gesprochen. «

    Es gab eine Unmenge von Schramms im Telefonbuch. Dorothea schaute ebenfalls zu Paul hinüber.

    »Du erinnerst dich nicht zufällig an den Vornamen der Mutter? «

    »Marga oder Edith oder Sofie oder so «, sagte Paul, fluchte gleich darauf:

    »Woher soll ich heute noch wissen, wie seine Mutter heißt? Das spielt doch auch gar keine Rolle. Das Ding kannst du weglegen, du glaubst doch nicht im Ernst, daß du von der etwas erfährst. Ich habe damals einmal mit ihr gesprochen, weißt du, was sie mir zur Antwort gab? «

    Dorothea ließ sich von seinem Ausbruch nicht beeindrucken. Sie lächelte.

    »Weiß ich noch, der arme Junge, hat sie gesagt. «

    Während sie zurück in den Flur ging, erklärte sie:

    »Ich fange mal an. Es wird eine Weile dauern, aber eine andere Möglichkeit sehe ich im Moment nicht. «

    »Das ist doch Wahnsinn «, murmelte Edmund, fühlte sich jedoch auch erleichtert. Und als er Dorothea zum erstenmal sprechen hörte, stieg sogar ein wenig Hoffnung auf. Ihre Stimme klang nachlässig und ein bißchen verwaschen.

    »Hier ist Gerda. Kann ich mal den Heiko sprechen? «

    Wer ist Gerda, dachte Edmund. Er hatte plötzlich das Gefühl, vor einer Wand zu stehen. Wer ist Gerda? Was wußte er denn überhaupt? Und was davon mit Sicherheit? Daß Patrizia Schramm geliebt hatte. Daß sie seine Pläne kannte, ganz genau. Und billigte. Es hatte damals ein Weilchen gedauert, ehe Ed seinen Irrtum erkannte. Auf den ersten Blick schien es so naheliegend. In ihren Augen mußte der Mann, den sie liebte, wie ein Teufel dastehen. Für Ed ging es erst einmal darum, diesen Eindruck zu mildern, wenn eben möglich, das Bild wiederherzustellen, das sie ursprünglich von Schramm gehabt hatte, und sie damit aus ihrer Starre zu reißen. Es war nicht einmal schwer. In der dritten Stunde begann Ed damit, ihr aus den Vernehmungsprotokollen vorzulesen. Er hatte ein paar relativ harmlose Stellen herausgesucht, ging behutsam zu Werk. Kein Wort von Gewalt, wann immer der Name Retling auftauchte, umging Ed diese Passage mit ein paar eigenen Worten. Heiko Schramm, der edle Ritter, eine Art moderner Robin Hood. Ein Mann, der nach einem wohldurchdachten Plan vorgegangen war und es geschafft hatte, alle Welt zu täuschen. Ein mutiger Mann und ein selbstloser. Einer, der liebte und an die Liebe des Mädchens glaubte, der darauf vertraute, daß es ihn kannte, daß es genau wußte, wieviel von den Worten, die vor Gericht gesprochen wurden, den Tatsachen entsprach: Kein einziges! Sie ließ nicht erkennen, ob sie ihm zuhörte. Nur einmal meinte Ed, die Andeutung eines zärtlich schmerzlichen Lächelns auf ihrem Gesicht zu sehen. Doch das konnte auch eine optische Täuschung sein, vielleicht ein Lichtreflex. Kein Zugang zur Patientin, notierte Ed anschließend. In der vierten Stunde der Durchbruch. Zuerst war die Stunde nichts anderes als eine Wiederholung der dritten gewesen. Er las vor, interpretierte, erklärte. Jeder Aussage Schramms fügte er eine kurze Bemerkung an, die Schramm in hellem Licht erscheinen ließ. Sie saß da. Ihr Gesicht wirkte nicht mehr völlig leblos, auch ihre Haltung war

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