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Die Augen Rasputins

Die Augen Rasputins

Titel: Die Augen Rasputins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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sich dann mit ihren Kollegen besprochen hatten… Und Ed würde es ihnen ja auch erklären. Er würde ihnen alles erklären. Er kannte sie, und er kannte Schramm. Er wußte, wie der handelte, wie sorgfältig er plante. Er wußte alles, was ein Fremder von Schramm wissen konnte.
    Und Ed beschrieb den Polizisten die Räumlichkeiten. Er war mehrfach hier gewesen, kannte sich aus, zumindest in den unteren Räumen, das Kellergeschoß kannte er auch. Vielleicht fertigte er eine Zeichnung an, damit die Polizisten sich zurechtfanden. Und ganz bestimmt erklärte er ihnen auch, daß es nur eine Möglichkeit gab, ins Haus einzudringen. Die
    Terrassentür. Aber das machte Lärm, und wenn auch dort der Rolladen unten war, dauerte es. Dann konnten sie es nicht
    schaffen… Dann mußten sie sich einen anderen Plan ausdenken.
    Den halben Nachmittag tat sie nichts weiter, als Körner zu schmelzen. Die Arbeit ging ihr leicht von der Hand, gleichsam mechanisch, ließ den Kopf frei für Gedanken. Aber viele Gedanken waren es nicht, und die meisten davon waren Bilder.
    Beruhigende Bilder. Ed bei der Stahltür, wie er die Arme nach ihr ausstreckte, wie er sie an sich zog.

    »Es ist vorbei, Patrizia, es ist alles gut. Du warst großartig. «

    Dann sagte er noch, daß er stolz auf sie war, sehr stolz. Und daß er Angst gehabt hatte, fürchterliche Angst um sie, als er erkannte, welches Risiko sie auf sich genommen hatte, um den Retlings zu helfen. Natürlich verstand er, daß sie es hatte tun müssen, daß sie gar keine andere Wahl gehabt hatte, als Schramm von seinem Kumpel zu sprechen begann.
    Manchmal schielte sie zur Tür, dann wieder auf ihre
    Armbanduhr, einmal kroch die Zeit hin, dann schien sie zu rasen. Sie hätte dringend zur Toilette gehen müssen, nicht einmal das wagte sie. Nur nichts provozieren. Als sie feststellte, daß es auf fünf zuging, raste auch ihr Herz. Der ganze Körper spannte sich, und der Magen krampfte sich zusammen. Und wenn Ed alleine kam? Wenn er sich nicht auf die Polizei verlassen wollte? Wenn er dachte, er könnte Schramm
    irgendwie überlisten?
    Die Tür!
    Es kostete sie große Überwindung, hinzugehen und die Klinke niederzudrücken. Das Knacken klang wie ein Schuß in ihren Ohren. Aber dann war die Tür offen.
    Die Treppe lag vor ihr und die anderen Türen. Die zum Vorratsraum, die zum Waschraum. Und so viele Geräusche auf einmal.
    Der Fernsehton, es mußte der Fernsehton sein, den Lauten nach zu schließen eine Sendung für Kinder. Quiekende
    Stimmen, vielleicht ein Zeichentrickfilm. Die Stimme des
    Dicken dazwischen. Gedämpft, vermutlich aus dem
    Wohnzimmer, trotzdem gut verständlich. Er ahmte das Quieken nach.
    Und seine Stimme. Bedeutend lauter, näher, wahrscheinlich aus der Diele.

    »Hör auf mit dem Scheiß. Das nervt. «

    Ob ihnen das Knacken des Türschlosses entgangen war? Es schien fast so, aber hinauf konnte sie trotzdem nicht, wenn er in der Diele stand. Er sprach immer noch mit dem Dicken. Doch für einen Augenblick lenkte der Gedanke an den Koffer sie ab.
    Sie verstand nicht alles, was er sagte, nur noch die letzten Worte.

    »… kriegst bestimmt noch Gelegenheit, deine Künste zu zeigen. «

    Der Dicke lachte. Im gleichen Moment kam das Zittern. Deine Künste? Was meinte er damit. Dieses ekelhafte Lachen, so scheußlich und genießerisch wie sein Grinsen oder die Art, wie er sich die Lippen geleckt hatte.
    Mit dem Zittern schossen die Tränen hoch. Sie drehte sich dem Waschraum zu, griff nach der Klinke und riß die Tür auf.
    Schloß sie gleich wieder hinter sich, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und fühlte den Schlüssel.
    Ein winziges Aufatmen. Sie drehte den Schlüssel um, ging zum Becken und wusch sich die Hände, dann das Gesicht mit viel kaltem Wasser. Und endlich zur Toilette, noch einmal die Hände waschen. Am liebsten wäre sie geblieben, hätte sich in einer Ecke verkrochen und abgewartet.
    Ein paar Minuten nach fünf. Jetzt kam Ed heim! Der Gedanke an ihn trieb sie wieder zurück in den Gang und zur Werkstatt hinüber. Sie schloß die Tür nicht mehr hinter sich. Hörte zu, wie die Männer oben miteinander sprachen. Verstehen konnte sie nicht viel davon. Aber plötzlich war da auch Frau Retlings Stimme, ganz kurz, nur drei, vier Worte, von denen sie nur das letzte verstand, Bad.

    In ihr Aufatmen sagte er:

    »Ist okay. «

    Ist okay, dachte sie. Sie war so erleichtert, daß sie fast wieder geweint hätte. Es war alles in Ordnung. Es ging den Retlings gut.

    Für

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