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Die Augen Rasputins

Die Augen Rasputins

Titel: Die Augen Rasputins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Schritt von der Tür zurück. Der Atem des Dicken ging immer noch so gleichmäßig. Ob der da oben im Gästezimmer ebenfalls so fest schlief? Ob sie es wagen konnte?
    Die zweite Treppe hinauf, zur Tür des Schlafzimmers. Und was dann? Leise anklopfen und die Namen rufen oder nur horchen?
    Den Atem durch die geschlossene Tür zu hören, war unmöglich.
    Vielleicht schnarchte einer von beiden. Vielleicht bewegten sie sich im Schlaf, und die Bettfederung knarrte. Irgendein Tönchen, aus dem sich schließen ließ, daß sie da waren.
    Den Dicken konnte sie noch atmen hören, als sie schon auf halber Höhe der Treppe war. Vielleicht war es auch nur Einbildung. Sie trat ganz behutsam auf. Tastete mit den Fingern jede Stufe ab, bevor sie einen Fuß darauf setzte. Dann war sie oben. Zu sehen war auch hier absolut nichts.
    Zwei Schritte vor und noch ein dritter. Sie stand direkt vor der Tür des Schlafzimmers, fühlte das Holz an den ausgestreckten Fingerspitzen. Alles so still. Und so finster. Sie horchte, kein Muckser aus dem Gästezimmer. Sie beugte sich zum

    Schlüsselloch hinunter, durchsehen war völlig unmöglich. Sie drückte das Ohr dagegen. Nichts!
    Und die Hand auf die Klinke. Es war ein Reflex. Die Klinke ließ sich leicht drücken, und wider Erwarten war die Tür nicht verschlossen. Sie stand im Zimmer, noch bevor ihr das so recht bewußt wurde. Die Tür ließ sie hinter sich offen.
    Es war in diesem Raum so wie überall im Haus, stockfinster.
    Nur um die Ziffern des Digitalweckers herum verteilte sich ein grünlicher Schimmer. Der eigene Herzschlag donnerte in den Ohren. Für den Weg nach oben hätte es eine Ausrede gegeben.
    Ich hatte Sehnsucht nach dir. Ich wollte dich nicht aufwecken, nur bei dir sein. Für ihre Anwesenheit in diesem Zimmer gab es nichts dergleichen.
    Nicht abgeschlossen! Damit allein schienen sich all die bösen Vermutungen, all die schrecklichen Bilder zu bestätigen. Die Hand mit dem Feuerzeug kam hoch, einmal ganz kurz die Flamme aufblitzen lassen. Und dann die Erleichterung! Ein Atemzug, der gar nicht aufhören wollte. Sie ließ ihn zwischen den geöffneten Lippen hinaus. Er war trotzdem viel zu laut.
    Sie waren da, lagen ganz friedlich in ihren Betten. In dem kurzen Moment, im unruhigen Flackern der winzigen Flamme wie zwei kleine Berge unter den Decken auszumachen. Es roch ein bißchen streng. Der Geruch erinnerte sie an das Zimmer ihrer Mutter. Er war ganz ähnlich.
    Es war eine schlimme Zeit gewesen, eine entsetzliche
    Krankheit, ein furchtbarer Tod. Der Geruch hatte dem Zimmer noch lange danach angehaftet, hatte sich in Tapeten und Teppichen, den Gardinen und Möbelstücken festgesetzt. Ihre Mutter war im Winter gestorben, ein paar Wochen lang. Man hatte nie richtig durchlüften können in der Zeit.
    Und hier, die Retlings waren tagelang außer Haus gewesen.
    Und sie waren vorsichtig, ließen kein Fenster offen. Und er hatte ihnen nicht erlaubt, es zu öffnen. Daran hielten sie sich. Wie
    sehr er sie eingeschüchtert hatte, bewies schon die nicht verschlossene Tür. Aber was hätten sie auch ausrichten können gegen zwei Männer, die vor nichts zurückschreckten? Selbst wenn sie sich aus ihrem Schlafzimmer heraustrauten, waren sie denen hilflos ausgeliefert, konnten sie nur in Wut versetzen.
    Ein widerlicher Geruch. Aber ein vertrauter. Sie hätte gern noch einmal das Feuerzeug aufflammen lassen, aber wenn Frau Retling erwachte, gab sie vielleicht einen Laut von sich und weckte damit den Teufel im Nebenzimmer auf. Näher an die Betten heran wagte sie sich auch nicht. Und das Schlafzimmer war groß, sie stand zu weit weg. Und der eigene Atem hatte sich immer noch nicht beruhigt, überdeckte alles, auch den Atem aus den Betten.
    Im Nebenraum raschelte es leicht. Nur das Bettzeug, er hatte sich wohl im Schlaf bewegt. Es traf sie wie eine Peitsche. Mit jeder Sekunde, die sie noch länger hier stand, vergrößerte sich das Risiko, entdeckt zu werden. Wenn er jetzt aufwachte, er mußte doch nur einmal zur Toilette gehen wollen. Er würde das Licht auf dem Flur anmachen, er würde sehen, daß die Tür zum Schlafzimmer offen stand. Ganz vorsichtig trat sie wieder auf den Flur hinaus und schloß die Tür hinter sich. Machte sich auf den entsetzlichen Weg nach unten.
    Bis sie die Werkstatt erreichte, schienen Stunden vergangen.
    Sie ging noch einmal zur Toilette, mußte die Augen fest zusammenkneifen, als sie das Licht einschaltete. Zwei Handvoll kaltes Wasser für das Gesicht und zwei, um

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