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Die Augen Rasputins

Die Augen Rasputins

Titel: Die Augen Rasputins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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wartete. Sie glaubte es nicht, konnte es gar nicht glauben. Aber es war so. Ed hatte ihre Nachricht nicht verstanden. Aber er würde noch darauf kommen, ohne Zweifel. Nur durchhalten mußte sie, nur durchhalten. Nicht die Nerven verlieren.
    Gestern um diese Zeit, dachte sie, um sich ein wenig
    abzulenken und zu beruhigen. Sah sich in ihrem eigenen Bett liegen, neben Ed. Nein, gestern um diese Zeit war er noch Eddi gewesen. Es schien so lange her.
    Wer hatte die Botschaft gelesen, Ed oder Eddi? Eddi konnte sie nicht verstehen, den konnte sie nur wütend machen. Heiko Schramm war zurückgekommen, und Patrizia hatte nichts Eiligeres zu tun, als sich in seine Arme zu stürzen. Eddi, ich bitte dich, schau noch einmal hin! Siehst du nicht, was da steht?
    Es tut mir leid, Ed! Ed! Ed!
    Bis kurz vor zwei blieb sie auf dem Stuhl in der Werkstatt sitzen, den Blick unverwandt auf den schwarzen Schacht gerichtet, den die Tür darstellte. Dann erhob sie sich, wieder mit beiden Händen auf dem Sitz abgestützt. Sie war ein bißchen steif vom langen Sitzen. Und ein bißchen tot von der
    Hilflosigkeit, aber das gab sich beides, noch bevor sie in der Mitte der Treppe war.
    Als sie die Diele erreichte, hatte sich auch der Atem soweit beruhigt. In der Diele schien es nicht so völlig finster wie im Keller. Sie meinte zumindest, die Umrisse der Türen ausmachen zu können. Vielleicht war es nur Erinnerung. Die zum
    Wohnzimmer stand offen. Und die Haustür war nur vier oder fünf Schritte entfernt.
    Sie wußte nicht genau, was sie tun sollte. Im Grunde wußte sie es schon. Mit einem Satz zur Tür und hinaus. Zum
    Nachbargrundstück rennen, klingeln, klopfen, um Hilfe
    schreien. Und sich wenig später in Eds Arme stürzen. Und die Retlings, wenn sie im Haus waren, zurücklassen, zum
    zweitenmal verraten. Schlimmer noch diesmal, weil sie jetzt genau wußte, wozu er fähig war, daß er nicht zögern würde, die beiden alten Leute auf der Stelle zu töten.
    Die Haustür wirkte wie ein Magnet, zerrte am Verstand, wollte das Gefühl und jede Verantwortung ausschalten. Irgendwo in ihrem Hirn wisperte ein dünnes Stimmchen:

    »Versuch es wenigstens. Du mußt ja nicht rennen und brüllen. Du kannst ganz leise sein. Du kannst die Tür nur anlehnen, wenn du hinausgehst. Dann kannst du zurückkommen. «

    Vielleicht der Selbsterhaltungstrieb. Ein Trieb auf jeden Fall, weil er sie unaufhaltsam zur Haustür schob. Sie bemerkte nicht einmal, daß sie die Füße bewegte und die Hand nach der Klinke ausstreckte. Und dann hätte sie beinahe aufgelacht, reiner Wahnsinn, blanke Panik. Abgeschlossen! Natürlich
    abgeschlossen. Und diese Tür konnte niemand aufbrechen!
    Einmal tief durchatmen! Dann ging sie zögernd auf die offene Wohnzimmertür zu, blieb stehen, als sie den Türrahmen erreichte und das Atmen hörte. Der Dicke schlief offenbar auf der Couch. Sehen konnte sie nichts von ihm. Im Raum war es so finster wie im Keller. Die schweren Rolläden vor dem Fenster und der Terrassentür waren heruntergelassen, nicht ein einziger winziger Spalt war offengeblieben. Es war wohl eine reine Vorsichtsmaßnahme von ihm. Wenn man in der Nachbarschaft wußte, daß die Retlings nicht daheim waren, konnte er es sich nicht leisten, den kleinsten Lichtschein nach draußen zu schicken.
    Sie kannte die Einrichtung des Zimmers, hatte das alles ganz deutlich vor Augen. Die Sitzgarnitur mit den beiden Tischen und der Stehlampe. Das Pflanzenarrangement bei der
    Terrassentür und das zweite dicht bei der Tür, neben der sie stand. Und das Telefon auf dem kleinen Tischchen neben der Couch. Auch eine Möglichkeit, Hilfe herbei zu rufen. Doch um
    den Apparat zu erreichen, hätte sie um den größeren Tisch, um die gesamte Sitzgruppe und damit auch um den Dicken
    herumgehen müssen.
    Der Gedanke an das Telefon war sehr verlockend. Und sehr sinnlos. Zum einen wagte sie sich nicht ins Zimmer hinein, aus Furcht, trotz aller Vorsicht irgendwo anzustoßen und das fette Ungeheuer damit aufzuwecken. Zum anderen, selbst wenn sie es bis zu dem kleinen Tisch schaffte, den Hörer abnehmen, die eigene Nummer wählen, Ed um Hilfe bitten, das alles
    verursachte zwangsläufig Geräusche.
    Sie dachte noch einmal an ihren Koffer. Vielleicht stand er hier irgendwo, vielleicht nur ein oder zwei Schritte von ihr entfernt. Aber in der Dunkelheit hatte sie keine Chance. Und das Feuerzeug einmal kurz aufflammen lassen, den Dicken damit wecken, das Risiko konnte sie nicht eingehen.
    Sie trat einen

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