Die Augen
schroffem Tonfall wissen.
Maggie blinzelte nicht, noch zuckte sie zusammen. »Es war nicht unser erstes Gespräch. Wir gingen noch einmal durch, was wir bereits besprochen hatten, nichts Neues. Keine neuen Eindrücke von ihr, keine neuen Fragen von mir. Sie wirkte … wie immer, als ich sie verließ.«
»Sie haben sie allein gelassen.«
Nun zuckte sie doch zusammen. »Die Krankenschwester war immer da gewesen, gleich nebenan. Ich ging davon aus, dass sie an jenem Tag auch da sein würde, obwohl ich sie nicht gesehen hatte. Ich habe erst später herausgefunden …«
John ließ von ihr ab, er wusste selbst nicht, ob der Grund seine Gewissheit war, dass sie keine Schuld daran trug, oder aber ihre betörende Stimme, die ihn in verblüffendem Maße berührte. »Sie konnten nicht wissen, was sie tun würde. Sie war immer … eine sehr gute Schauspielerin.« Er blickte in diese fremdartigen Augen und begriff plötzlich, dass hier noch eine Frau war, die in der Lage war, ihre Gedanken völlig vor ihm zu verbergen. Doch ehe er mehr tun konnte, als sich zu fragen, ob er dem nachgehen wollte, sprach sie wieder im selben gleichmütigen Tonfall.
»Wie auch immer, ich kann Ihnen nichts Hilfreiches sagen. Es tut mir Leid, dass Sie Ihre Zeit vergeudet haben.«
»Ich habe sie nicht vergeudet. Ich wollte Sie kennen lernen, seit Andy mir erzählt hat, dass eine einzigartig talentierte Künstlerin an den Ermittlungen mitwirkt. Ich bin neugierig zu erfahren, wie Sie arbeiten – deshalb bin ich heute auch in Ihre Befragung geplatzt. Das tut mir übrigens wirklich Leid.«
Sie nahm die Entschuldigung nur mit einem knappen Nicken zur Kenntnis. »Da ist nichts Außergewöhnliches an meiner Art zu arbeiten. So haben Polizeizeichner immer gearbeitet. Ich spreche mit den Opfern, stelle ihnen Fragen, gewinne Eindrücke, und dann zeichne ich, was ich denke, das sie gesehen haben. Manchmal habe ich Glück.«
»Wenn man Andy fragt, ist es mehr als Glück. Und öfter als manchmal.«
Maggie zuckte mit den Achseln. »Andy ist ein Freund. Der ist voreingenommen.«
»Und der Polizeichef ist also auch voreingenommen? Der hat nämlich gestern ein Loblied auf Sie gesungen.«
Sie ließ den Blick flüchtig auf den Skizzenblock auf ihrem Schoß sinken, dann sagte sie in nüchternem Tonfall: »Man hat seine Nichte vor etwa fünf Jahren vom Schulhof entführt, und ich habe geholfen, den Kerl zu finden, ehe er ihr etwas antun konnte.«
»Mit einer Skizze? Gab es Zeugen?«
»Die anderen Kinder. Das älteste war erst neun, deshalb war es … schwierig. Kinder neigen dazu, Dinge dazu zu erfinden, indem sie ihre Fantasie benutzen, deshalb mussten wir erst sieben, was sie angeblich gesehen hatten, um die Wahrheit herauszufinden.«
»Wie haben Sie das denn gemacht?«
Maggie zögerte nur ganz kurz. »Ich habe ihnen zugehört.«
»Und wie haben Sie die Wahrheit von den Hinzuerfindungen getrennt?«
»Ich … weiß nicht. Ich meine, ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Andy nennt es Intuition, Instinkt. Ich schätze, diese Bezeichnungen sind so gut wie andere auch. Ich mache das schon sehr lange.«
Überrascht sagte John: »So lange kann das aber nicht sein. Wie alt mögen Sie sein? Fünfundzwanzig?«
»Danke, aber ich bin einunddreißig. Als ich zum ersten Mal ein Gesicht für die Polizei skizziert habe, war ich achtzehn. Ich mache das also schon fast mein halbes Leben lang.«
»Ist achtzehn nicht furchtbar jung, um bei der Polizei anzufangen?«
»Ich habe damals nicht bei der Polizei gearbeitet, nicht offiziell.« Maggie seufzte. »Ich war zufällig Zeugin bei einem Verbrechen, und ich war die Einzige, die irgendetwas gesehen hatte. Zufälligerweise konnte ich auch zeichnen. Eins führte zum anderen, und als ich aufs College ging, stand ich schon offiziell auf der Gehaltsliste der Polizei.«
John hatte noch mehr Fragen, doch ehe er sie stellen konnte, klopfte Andy an die Tür, öffnete sie und sagte: »Entschuldigt die Störung, aber … Maggie, wir haben gerade einen Anruf bekommen. Hollis Templeton sagt, sie will am Samstagnachmittag im Krankenhaus mit dir reden.«
Maggie stand auf. »Sie hat uns angerufen?«
»Ja. Nachdem sie uns wochenlang ignoriert hat.«
»Hat sie gesagt, warum?«
»Nein, aber …« Andy trat von einem Fuß auf den anderen wie immer, wenn er verunsichert war. »Ihr zwei habt euch nie getroffen, richtig?«
»Richtig.«
»Habt ihr vielleicht irgendwann gegenseitig voneinander gehört?«
»Ich kenne ihre Arbeit
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