Die Augen
Teil davon hier. Du warst seit Jahren nicht mehr für länger als eine Stippvisite hier. Ich bezahle alles – schicke dir den Jet, reserviere dir die beste Hotelsuite, was immer du willst.«
»Beste Hotelsuite, hm?« Quentin musterte die bedrückend einfallslose Zimmerausstattung um sich herum.
Kendra murmelte: »O Gott.«
John sagte: »Die absolut beste. Sag ja, und ich schicke dir den Jet. Wo hast du gesagt, bist du?«
»Pittsburgh.«
»Warum?«
Quentin hätte beinahe über den erstaunten Tonfall seines Freundes gelacht.
»Ich habe dir doch gesagt, wir hatten einen Fall. Unglücklicherweise war das hier.«
»Ist der Fall abgeschlossen?«
»Ja. Wir halten den Überstundenrekord.«
»Gut. Dann brauchst du auf jeden Fall mal eine Pause.«
»Da stimme ich dir zu – aber ich bin mir nicht sicher, ob ich im Moment eine machen kann, John. Das hängt davon ab, ob schon ein neuer Auftrag auf mich wartet. Ich kläre das mit dem Büro ab und rufe dich zurück.«
»In Ordnung. Ruf mich auf meinem Handy an.«
»Ich hoffe, ich kann dir bis heute Nachmittag Bescheid geben. Bis dahin, John.« Quentin beendete das Gespräch und legte das Handy zurück auf den Nachttisch.
Geduldig wandte Kendra ein: »Wir sollen nicht auf eigene Faust arbeiten, Quentin, das weißt du.«
»Das weiß ich.«
»Das wird Bishop nicht gefallen.«
»Das weiß ich auch.«
»Seattle, hm?«
Langsam verzog sein Gesicht sich zu einem Lächeln. »Seattle.«
»Weil er dein Freund ist?«
»Ja. Und weil seine Schwester eine Freundin war.«
3
Maggie war gezwungen, bis Samstagnachmittag zu warten, ehe sie Hollis Templeton sehen konnte, und sie wusste, dass der Versuch, einen neuen Termin mit Ellen Randall zu vereinbaren, aussichtslos war. So stellte sie am Freitag fest, dass sie nichts mit sich anzufangen wusste. Ihr kleines Haus war zu still, das Atelier, in dem sie malte, lockte sie nicht. Deshalb nahm sie am späten Vormittag ihren Skizzenblock, den sie praktisch überall hin mitnahm, und fuhr quer durch die Stadt zu einem anderen, ziemlich heruntergekommenen Haus.
Sie ging zur Hintertür, die nie abgeschlossen war, stieß sie auf und rief: »Hallo.«
»Atelier«, rief er zur Antwort.
Maggie bahnte sich durch das übliche Chaos aus Büchern, Zeitschriften, Zeitungen und halb vollendeten kunstgewerblichen Projekten einen Weg zum Atelier, einem Anbau, der in krassem Gegensatz zum Rest des Hauses stand. Der Raum war nicht nur geräumig und aufgrund zahlreicher Fenster und Oberlichter sehr hell, sondern er war auch äußerst ordentlich und aufgeräumt. Farben und Pinsel standen alle an ihrem Platz, und die Leinwände waren in Holzkisten verstaut. Verschiedene Requisiten und Stoffe für Draperien lagen auf Regalen zwischen den Fenstern bereit, und die verschiedenen Stühle, Sofas und Tische, die oft im Bildhintergrund eingesetzt wurden, waren so arrangiert, dass der große Raum gemütlich möbliert war.
In der Mitte des Zimmers stand ein Künstler an einer Staffelei und arbeitete an einem beinahe vollendeten Gemälde. Der Gegenstand des Bildes war eine Frau, und obwohl sie nicht körperlich anwesend war, machten die an die Wand gehefteten Kohlezeichnungen deutlich, dass sie dem Künstler mehr als ein Mal Modell gestanden hatte.
Der Künstler selbst war um die dreißig, ein großer, schlaksiger Mann mit dem Gesicht eines Engels – jedenfalls fand das Maggie. Sie hatte noch nie einen Engel gesehen, aber sie hatte gesehen, wie der Verkehr wortwörtlich zum Erliegen kam und Münder aufklappten, wenn dieser Mann vorüberging. Sie nahm an, dass er himmlischer Perfektion so nahe kam, wie Sterbliche ihr überhaupt kommen konnten. Er hatte langes weizenblondes Haar, das er im Nacken zusammengebunden hatte, und seine ausgeblichenen Jeans und sein Arbeitshemd waren wie üblich voller Farbkleckse.
»Eine halbe Minute«, sagte er, ohne sie anzusehen. Seine Aufmerksamkeit war auf das sorgfältige Schattieren einer Stelle unterhalb des linken Ohres seines Sujets gerichtet.
»Lass dir Zeit. Ich war meine eigene Gesellschaft leid, und da bin ich dich einfach besuchen gekommen«, sagte Maggie.
Er warf ihr einen raschen Blick aus sehr hellen blauen Augen zu, die beinahe enervierend scharfsichtig waren, dann fuhr er mit der Arbeit fort. »Sieht dir nicht ähnlich, dich zu langweilen«, sagte er.
Maggie setzte sich auf einen sauberen, aber zerkratzten Holztisch und beobachtete ihn. »Es ist nicht unbedingt Langeweile. Eher Ruhelosigkeit. Ich soll morgen
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