Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Augen

Die Augen

Titel: Die Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hooper
Vom Netzwerk:
ihren wunden Fingern spürte sie die Schwelle, eine alte Dichtungsleiste oder etwas, das größtenteils verrostet war. Dahinter befand sich der verwitterte Beton eines Hauseingangs oder Gehwegs. Hollis hoffte, dass keine Stufen mehr folgten.
    Grimmig robbte sie über die Schwelle und aus dem Gebäude hinaus. Als die volle Wucht des kalten Windes draußen ihr in die Glieder fuhr, begann sie heftig zu zittern. Eine qualvolle Stufe musste sie noch überwinden, dann kam ein Gehweg, der eher aus Kieseln und Kies zu bestehen schien denn aus Beton. Es schmerzte höllisch, als sie über diese zerklüftete Oberfläche kroch; doch immerhin brachte er sie zur Straße.
    Hoffte sie.
    Nicht mehr lange, Hollis. Du hast es gleich geschafft.
    Gleich geschafft?, fragte sie sich. Raus auf die Straße, wo ein Auto sie überfahren konnte?
    Er ist ganz nah. Jetzt sieht er dich gleich.
    Ehe Hollis sich fragen konnte, wer sie da sehen sollte, hörte sie eine Männerstimme einen Ausruf des Entsetzens ausstoßen, dann Schritte, die auf sie zukamen.
    »Bitte«, hörte Hollis sich mit einer ungewohnten, belegten Stimme sagen. »Bitte helfen Sie mir …«
    »Schon gut.« Die Männerstimme war nun ganz nah. Sie klang ebenso belegt wie ihre eigene. Und schockiert und entsetzt und voller Mitgefühl. Mit einer warmen Hand berührte er sie sanft an der Schulter. Dann sagte er: »Ich möchte Sie lieber nicht bewegen, bis der Rettungsdienst hier ist, aber ich decke Sie jetzt mit meinem Mantel zu, okay?«
    Sie spürte die rettende Wärme und murmelte einen Dank. Dann ließ sie erschöpft ihren Kopf auf den Unterarm sinken. Sie war sehr müde. Sehr müde.
    Schlaf jetzt, Hollis.
    Das hielt sie für eine gute Idee.
     
    Sicherheitshalber maß Sam Lewis ihr den Puls. Dann entfernte er sich einige Schritte und sprach mit eindringlicher Stimme in sein Handy. »Um Himmels willen, beeilen Sie sich! Sie ist … in keinem guten Zustand. Sie hat viel Blut verloren.« Sein Blick folgte der erstaunlich hellen Blutspur, die anzeigte, wo sie sich von der weit offenen Haustür des seit langem leer stehenden Hauses den ganzen Weg über den verwitterten Beton bis zu ihm geschleppt hatte.
    Er versuchte, der professionell sachlichen Stimme an seinem Ohr zuzuhören, doch schließlich schnitt er der Person, die den Notruf aufnahm, das Wort ab und sagte heftig: »Ich weiß nicht, was ihr zugestoßen ist, aber sie ist grün und blau geschlagen, sie hat Schnittwunden und blutet – und sie ist nackt. Vielleicht wurde sie vergewaltigt, das weiß ich nicht, aber … ihr ist noch etwas angetan worden. Sie ist … Ihre Augen sind weg. Nein, verdammt, nicht verletzt . Weg. Jemand hat ihr die Augen herausgeschnitten.«

1
Donnerstag, 1. November 2001
    »Das wird ihr nicht gefallen.« Andy Brenner klang eher unglücklich denn besorgt.
    John Garrett trat hinter ihm in den kleinen kahlen Raum. »Ich stehe dafür gerade«, sagte er, den Blick bereits auf den Spionspiegel geheftet, der die hintere Wand beherrschte und ihnen einen unbemerkten Einblick in einen weiteren kleinen Raum ermöglichte.
    Dieser beinahe leere Raum enthielt einen verschrammten Holztisch und mehrere Stühle. Am Tisch saßen drei Frauen – zwei davon mit Blick zum Spionspiegel eng beieinander in einer Haltung, die wirkte, als klammerten sie sich aneinander, obwohl sie sich gar nicht berührten. Die jüngere der beiden trug eine sehr dunkle Sonnenbrille mit schwerem Gestell und saß ausgesprochen steif auf ihrem Stuhl. Die ältere Frau betrachtete sie besorgt.
    Die dritte Frau saß mit dem Rücken zum Spionspiegel im rechten Winkel zu den anderen am Tisch. Die beiden Männer konnten ihr Gesicht nicht sehen. Es war unmöglich, ihre Figur zu erraten, denn sie trug ein sehr weites Flanellhemd und ausgeblichene Jeans. Doch ein Wust ziemlich wilder langer dunkelroter Haare ließ sie schmächtig erscheinen.
    Andy seufzte. »Ich mache mir keine Sorgen, dass ich dafür gerade stehen muss. Der Boss tut gerne so, als ob Maggie zu unseren Bedingungen für uns arbeitet, aber wir hier an der Basis wissen es besser: Was Maggie will, bekommt sie auch – und sie will, dass niemand anders dabei ist, wenn sie mit einem Opfer spricht.«
    »Sie wird gar nicht wissen, dass wir hier sind«, meinte John.
    »Das versuche ich Ihnen ja schon die ganze Zeit klarzumachen – sie wird es wissen.«
    »Wie denn? Ich drücke auf diesen Knopf, und dann können wir hören, was da drin passiert, aber sie werden uns nicht hören, richtig? Wir können

Weitere Kostenlose Bücher