Die Auserwaehlte
Schrei, der von außen kam, in den Finger gestochen. Sie legte die wertvolle Metallnadel beiseite, wo sie keinen Schaden anrichten konnte, während Buntokapi mit verblüffender Geschwindigkeit zur Tür sprang. Der Rufer schrie erneut, noch eindringlicher dieses Mal, und ohne auf die Diener zu warten, öffnete Buntokapi die Läden und sah sich einem schwitzenden und staubbedeckten Soldaten gegenüber.
»Was ist los?« wollte Buntokapi wissen. Seine Verwirrung hatte sich sogleich ein wenig gelegt, denn alles was mit Waffen und Krieg zu tun hatte, fiel ihm wesentlich leichter als das Abfassen von Briefen.
Der Krieger verbeugte sich mit ausgesprochener Hast, und Mara bemerkte, daß seine Sandalen fest verschnürt waren: Er mußte eine weite Strecke gerannt sein, um seine Nachricht zu überbringen. Sie vergaß ihre Haltung als unterwürfige Frau und lauschte den Worten des Läufers, als er wieder Luft bekam und sprechen konnte. »Befehlshaber Lujan sendet die Nachricht, daß eine große Streitmacht von Banditen auf der Straße von Holan-Qu heranrückt. Er hält die Stellung an der kleinen Quelle unterhalb des Passes, um sie aufzuhalten, falls sie versuchen sollten durchzubrechen. Er glaubt, daß sie uns überfallen wollen.«
Buntokapi nahm die Sache sofort in die Hand. »Wie viele sind es?« In einer Anwandlung von Einfühlungsvermögen, wie er es seiner Dienerschaft gegenüber niemals gezeigt hätte, bedeutete er dem ermüdeten Läufer, Platz zu nehmen.
Mara befahl einem Diener, dem Mann etwas Wasser zu bringen, während dieser sich niederließ und genauere Einzelheiten preisgab. »Es ist eine sehr gute Streitmacht, Herr. Vielleicht so viel wie sechzig Kompanien. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind es Graue Krieger.«
Bunto schüttelte den Kopf. »So viele? Sie könnten gefährlich werden.« Er wandte sich an Mara. »Ich muß dich jetzt verlassen, meine Gemahlin. Aber hab keine Angst, ich werde zurückkehren.«
»Möge Chochocan Euch schützen.« Mara hielt sich an den rituellen Satz und neigte ihren Kopf vor ihm, wie es für die Frau eines Lords angemessen war. Doch nicht einmal, um den äußeren Schein zu wahren, konnte sie so tun, als würden die vor ihm liegenden Gefahren sie erschrecken. Als Buntokapi forsch durch die offene Tür nach draußen trat, warf sie einen verstohlenen Blick auf den staubbedeckten Boten, der sich seinerseits vor seinem Herrn verbeugte. Er war jung, doch erfahren im Kampf und mit vielen Narben übersät. Mara erinnerte sich an seinen Namen, Jigai, einst ein hochangesehenes Mitglied aus der Bande Lujans. Seine Augen waren hart und verschlossen, als er seinen Kopf hob, um das Wasser anzunehmen, das ihm eine Dienerin brachte. Mara verdrängte das Gefühl der Unsicherheit, das sich in ihr ausbreitete. Was würden dieser Mann und seine Kameraden empfinden, wenn sie Männern gegenüberstanden, die genauso ihre Kameraden wie ihre Feinde hätten sein können? Keiner der Neuankömmlinge hatte bisher einem Feind der Acoma im Kampf gegenübergestanden; daß ihre erste Begegnung sie auf Graue Krieger stießen ließ, brachte Ängste hervor, über die zu lange nachzudenken gefährlich war.
Sie blickte niedergeschlagen hinterher, als die Soldaten der Acoma hinter das große Haus eilten, um sich dort zu formieren. Jede Formation wurde von einem Patrouillenführer kommandiert, der wiederum seine Anweisungen von einem Befehlshaber entgegennahm; sie alle standen unter dem Kommando des erfahrenen Kommandeurs Keyoke. Rechts von diesem stand Papewaio, der als Truppenführer das Kommando übernehmen würde, sollte der Kommandeur im Kampf fallen. Mara konnte nicht umhin, sie zu bewundern, denn die Soldaten der Acoma handelten in jeder Hinsicht wie tsuranische Krieger. Jene, die einst Gesetzlose gewesen waren, fügten sich reibungslos in die Gruppe derer, die in diesen Dienst hineingeboren worden waren. Ihre Zweifel ließen ein wenig nach. Dank der Sicherheit, die ihnen die Krieger der Cho-ja-Königin gewährten, mußte lediglich die Kompanie Tasidos zurückbleiben, um das Anwesen zu bewachen. Abwesend betrachtete Mara die möglichen Vorteile, noch mehr Cousins an die Farben der Acoma zu binden. Wenn sie noch mehr Krieger hätten, könnten sie die Garnison teilen; Papewaio und noch ein anderer würden dann in den Rang eines Kommandeurs befördert, und die Acoma hätten zwei Garnisonen … Ein lauter Schrei setzte ihren Gedanken ein Ende. Buntokapi kam in Sicht, und die ihm nachfolgenden Diener versuchten
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