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Die Auserwaehlte

Die Auserwaehlte

Titel: Die Auserwaehlte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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können, er hätte Euch rasch ein Messer zwischen die Rippen stoßen und sich schnell davonmachen können, um die Nachricht Eures Todes zu verbreiten.«
    Nacoya nickte entschieden, als hätte das Gespräch ihre eigenen Gedanken bestätigt. »Nein, der Lord der Minwanabi mag der mächtigste Mann im Hohen Rat sein, aber er benimmt sich wie ein wütend gewordener Harulth, der Bäume niederreißt, um einen Gazen zu zertrampeln.« Sie breitete ihre Finger aus und deutete mit ihnen die Größe des scheuen kleinen Tieres an, das sie erwähnt hatte. »Er hat seine Position von seinem mächtigen Vater geerbt, und er hat starke Verbündete. Der Lord der Minwanabi ist gerissen, aber nicht sehr schlau. Der Lord der Anasati hingegen ist sowohl gerissen als auch schlau. Er ist jemand, vor dem man sich unbedingt in acht nehmen muß.« Nacoya gestikulierte mit ihrer Hand in der Luft. »Er gleitet durch den Sumpf wie eine Relli, leise und verstohlen, und er schlägt ohne Vorwarnung zu. Dieser Mordversuch wirkt, als hätte der Lord der Minwanabi dem Attentäter Euren Tod aufgetragen und gleichzeitig dafür gesorgt, daß der Stempel seiner Familie zu erkennen war.« Nacoya kniff gedankenvoll die Augen zusammen. »Daß er so schnell von Eurer Rückkehr erfahren hat, spricht für seine Spione. Wir hatten angenommen, er würde erst einige Tage später herausfinden, daß jetzt Ihr die Herrscherin seid. Wenn er den Hamoi so schnell schicken konnte, muß er gewußt haben, daß Ihr das Gelübde nicht abgelegt habt, seit Keyoke Euch aus dem Tempel holte.« Sie schüttelte mit einem leichten Selbstvorwurf den Kopf. »Wir hätten damit rechnen müssen.«
    Mara dachte über Nacoyas Rat nach, während ihre Tasse Chocha auf dem Tisch langsam abkühlte. Sie war sich ihrer neuen Verantwortung so bewußt wie niemals zuvor und akzeptierte, daß unangenehme Angelegenheiten nicht mehr länger aufgeschoben werden durften. Obwohl sich die lockigen Haare mädchenhaft um ihre Wangen kräuselten und der Umhang mit dem kunstvollen Kragen viel zu groß für sie war, richtete sie sich mit der Entschlossenheit einer Herrscherin auf. »Ich mag dem Lord der Minwanabi zwar wie ein Gazen erschienen sein, aber jetzt hat er diesen Pflanzenfresser gelehrt, Reißzähne zu entwickeln. Schickt nach Keyoke und Papewaio.«
    Ihr Befehl setzte einen Läufer in Bewegung, einen kleinen Sklavenjungen mit Sandalen an den Füßen, der wegen seiner Flinkheit ausgewählt worden war. Er sprang von seinem Posten an der Tür auf, um die Nachricht zu überbringen. Die Krieger erschienen nur kurze Zeit später; beide hatten auf ihren Ruf gewartet. Keyoke trug seinen offiziellen Helm; der Federbusch, der auf seine Stellung hinwies, raschelte am Türsturz, als er eintrat. Barhäuptig, aber beinahe genauso groß, folgte Papewaio seinem Kommandeur. Er bewegte sich mit der gleichen Anmut und Stärke, die ihn nur wenige Stunden zuvor befähigt hatten, einen Mörder umzubringen. Sein Gesichtsausdruck verriet keine Spur von den Gedanken über sein unentschiedenes Schicksal. Der Anblick seines Gesichts, das noch gelassener wirkte als sonst, und der Stolz in seiner Haltung ließen in Mara das Gefühl aufsteigen, als würde das Urteil, das sie jetzt fällen mußte, womöglich ihre Kräfte übersteigen.
    Ihre Anspannung war jedoch nicht sichtbar, als die Krieger formell vor ihrem Tisch niederknieten. Der grüne Federbusch Keyokes zitterte leicht in der Luft; er war nahe genug, daß Mara ihn hätte berühren können. Sie unterdrückte ein plötzliches Beben und bedeutete den Männern, sich zu setzen. Ihre Zofe bot ihnen heiße Chocha an, aber nur Keyoke nahm eine Tasse. Papewaio schüttelte lediglich kurz den Kopf, als glaubte er, sich besser auf seine Gestik als auf seine Stimme verlassen zu können.
    »Ich habe einen Fehler gemacht«, sagte Mara. »Ich werde versuchen, einen solchen Fehler nicht wieder zu machen –« Sie hielt abrupt inne, runzelte die Stirn und machte eine nervöse Bewegung, die die Schwestern von Lashima ihr abzugewöhnen versucht hatten. »Nein«, sagte Mara. »Ich muß es noch besser machen, denn im Tempel habe ich gelernt, daß meine Ungeduld manchmal mein Urteilsvermögen einschränkt. Keyoke, zwischen uns muß es ein Handzeichen geben, das ankündigt, wenn mein Leben oder die Existenz der Acoma in einer Art und Weise bedroht ist, die ich nicht verstehen kann. Dann wird sich vielleicht der Wahnsinn dieses Tages niemals wiederholen.«
    Keyoke nickte, sein vernarbtes Gesicht

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