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Die Auserwaehlte

Die Auserwaehlte

Titel: Die Auserwaehlte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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diese Eile, mit der Papewaio für eine Handlung hingerichtet werden sollte, die durch ihre eigene unverantwortliche Haltung herbeigeführt worden war – all das überstieg beinahe ihre Kräfte. Sorgfältig darauf bedacht, nicht in Tränen auszubrechen, antwortete Mara mit fester Stimme: »Nein … ich habe mich noch nicht entschieden.« Sie schaute sie der Reihe nach an; ihre Gesichter waren unbewegt. »Ihr werdet alle warten, bis es soweit ist. Pape, hebt Euer Schwert auf.«
    Ihr Befehl barg eine krasse Mißachtung der Tradition, doch Papewaio gehorchte still. Mara sprach mit dem Gärtner, der unbehaglich dabeistand. »Schafft den Körper des Attentäters von der Lichtung.« Aus dem plötzlichen Bedürfnis heraus, ihrer Wut irgendwie Ausdruck zu verleihen, fügte sie hinzu: »Zieht ihn aus und hängt ihn neben der Straße an einen Baum, damit er jedem Spion, der sich näher heranwagt, als Warnung dient. Dann säubert den Natami und legt den Teich trocken; beide sind verunreinigt worden. Wenn dies geschehen ist, schickt nach den Priestern Chochocans. Sie sollen kommen und den Hain erneut weihen.«
    Obwohl die anderen sie unschlüssig anstarrten, wandte Mara ihnen den Rücken zu. Nacoya bewegte sich als erste. Mit einem scharfen Schnalzen ihrer Zunge begleitete sie ihre junge Herrin in die kühle Stille des Hauses. Papewaio und Keyoke schauten voller beunruhigter Gedanken hinterher, während der Gärtner davoneilte, um die Befehle seiner Herrin auszuführen.
    Die beiden Gehilfen des Gärtners rollten das Seil wieder zusammen, während sie Blicke austauschten. Es schien, als hätte das Unglück, das über die Acoma hereingebrochen war, mit dem Vater und dem Sohn noch nicht sein Ende gefunden. Maras Herrschaft als Lady der Acoma würde möglicherweise tatsächlich nur von kurzer Dauer sein, denn ihre Feinde würden nicht ruhen, während sie die komplexen Feinheiten des Spiels des Rates studierte. Dennoch, darin schienen die beiden Männer im stillen übereinzustimmen, lagen solche Angelegenheiten in den Händen der Götter, und schon immer wurden die einfachen Menschen im Sog der Mächtigen mitgerissen, von ihrem Aufstieg – und von ihrem Untergang. Das war weder grausam noch ungerecht. Es war einfach Schicksal.

    Ab dem Augenblick, da die Lady der Acoma sich in die Abgeschiedenheit ihrer Gemächer zurückgezogen hatte, übernahm Nacoya das Kommando. Sie erteilte den Bediensteten entsprechende Befehle, und diese eilten geschäftig hin und her, um es ihrer Herrin bequem zu machen. Sie bereiteten ein duftendes Bad vor, während Mara auf den Kissen ruhte und ihre Finger geistesabwesend an der feinen Stickerei mit den Shatra-Vögeln spielten. Jemand, der sie nicht kannte, mochte vielleicht glauben, daß ihre Schweigsamkeit eine Folge des Schreckens und der Trauer war; Nacoya jedoch kannte die angespannte Intensität in den dunklen Augen des Mädchens und ließ sich nicht täuschen. Angespannt, ärgerlich und entschlossen versuchte Mara bereits, die weitreichende politische Bedeutung dieses Angriffes auf ihre Person zu ergründen. Sie ertrug die Fürsorge der Zofen ohne die gewöhnliche Rastlosigkeit und schwieg, während die Dienerinnen sie badeten und ihre Wunden versorgten. Eine Kräuterkompresse wurde auf ihre zerkratzte, mit blauen Flecken übersäte rechte Hand gelegt. Nacoya hockte ängstlich dabei, während Mara von zwei älteren Frauen heftig eingerieben wurde, wie sie es zuvor bei Lord Sezu getan hatten. Ihre alten Finger waren erstaunlich kräftig; sie machten die verspannten Stellen ausfindig und massierten sie nach und nach weg. Als Mara anschließend in einem sauberen Gewand dasaß, fühlte sie sich zwar immer noch müde, aber durch die Behandlung der alten Frauen war die nervöse Erschöpfung von ihr gewichen.
    Nacoya brachte dampfende Chocha in einer feinen Porzellantasse. Mara setzte sich vor einen niedrigen Steintisch und schlürfte das bittere Getränk; sie zuckte leicht zusammen, als die Flüssigkeit ihren mitgenommenen Hals hinabrann. Auf der Lichtung war sie von dem Angriff so erschreckt gewesen, daß sie nicht viel mehr als ein kurzes Aufflackern von Panik und Furcht gespürt hatte. Jetzt stellte sie überrascht fest, daß sie zu erschöpft war, um überhaupt irgendeine Reaktion zu verspüren. Das Licht des späten Nachmittags leuchtete hinter den Papierläden der Fenster, wie in ihrer Kindheit. In weiter Ferne konnte sie das Pfeifen der Hirten auf den Needra-Wiesen hören, und ganz in der Nähe

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