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Die Auserwaehlte

Die Auserwaehlte

Titel: Die Auserwaehlte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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Gefolge wäre nötig gewesen, um auf offenem Gelände für ihren Schutz zu sorgen, und dadurch hätten weniger Wachen für die üblichen Patrouillen zur Verfügung gestanden. Zu pflichtbewußt, um untätig herumzusitzen, studierte Mara weitere Unterlagen, um sich mit den entfernteren Besitztümern ihrer Familie vertraut zu machen. Sie ließ sich eine leichte Mahlzeit bringen. Die Schatten wurden länger, und in der Hitze des Nachmittags schien alles zu erstarren.
    Die Arbeit ließ die Lady der Acoma einen feinen, aber wichtigen Aspekt tsuranischen Lebens erkennen. Zwar hatte ihr Vater es oft betont, doch erst jetzt begriff sie die Bedeutung seiner Worte wirklich: Ehre und Tradition bildeten nur zwei Wände eines großen Hauses; die zwei anderen waren Macht und Reichtum. Diese letzten beiden waren es auch, die das Dach vor dem Einsturz bewahrten. Mara hielt den Griff der Pergamentrolle krampfhaft fest. Wenn es ihr irgendwie gelingen könnte, die Feinde, die ihr nach dem Leben trachteten, so lange in Schach zu halten, bis sie stark genug wäre, um sich am Spiel des Rates zu beteiligen, dann … Sie beendete den Gedanken nicht. Das vordringliche Problem war jetzt, die Lords der Minwanabi und Anasati in Schach zu halten. Vergeltung war ein nutzloser Traum, solange sie das Überleben ihrer Familie nicht sicherstellen konnte.
    Tief in Gedanken versunken hörte Mara nicht, wie Nacoya ihr von der Tür aus leise etwas zurief. »Mistress?« wiederholte die Amme.
    Mara schaute verwirrt auf und winkte die Nacoya herein. Sie wartete gedankenverloren und unnahbar, während die alte Frau sich verbeugte und dann vor ihr niederkniete.
    »Lady, ich habe über unser Gespräch von heute nachmittag nachgedacht, und ich bitte Euch, meinen Vorschlag in Ruhe anzuhören.«
    Mara kniff die Augen zusammen. Sie verspürte keine große Lust bei dem Gedanken, die Diskussion über eine Heirat fortzuführen, doch die immer noch schmerzenden Stellen an ihrem Körper gemahnten sie an die Notwendigkeit, sich umsichtig zu verhalten. Daher legte sie die Rollen zur Seite und gab Nacoya mit einem Wink die Erlaubnis, fortzufahren. »Euer Status als Herrscherin der Acoma würde sich durch eine Heirat nicht ändern. Zwar würde ein Ehemann an Eurer rechten Seite sitzen, doch er hätte nicht das Recht, über die Angelegenheiten des Hauses zu bestimmen, sofern Ihr es ihm nicht zugesteht. Er –«
    Mara machte eine abwehrende Handbewegung. »Das weiß ich bereits alles.«
    Die alte Amme machte es sich auf der Matte vor ihrer Herrin etwas bequemer. »Ich bitte um Vergebung, Lady Als ich heute nachmittag mit Euch sprach, hatte ich vergessen, daß eine Dienerin Lashimas die weltlichen Angelegenheiten jenseits des Tempels aus den Augen verliert. All die Dinge zwischen Jungen und Mädchen – das Treffen mit den Söhnen edler Häuser, das Küssen und die spielerischen Formen des Berührens – blieben Euch im letzten Jahr und länger verschlossen. Der Gedanke an Männer…« Die wachsende Anspannung durch Maras Schweigen entmutigte Nacoya, und sie stockte; doch dann riß sie sich zusammen und beendete ihren Vortrag. »Vergebt dem Gerede einer alten Frau. Ihr wart eine Jungfrau – und seid es noch.«
    Diese Aussage ließ Mara erröten. Während der Zeit im Tempel war ihr befohlen worden, die Belange des Fleisches zu verdrängen. Doch Nacoyas Sorge, das Mädchen könnte mit dieser Angelegenheit nicht umgehen, war unbegründet; ganz im Gegenteil war es für Mara ein harter Kampf gewesen, das beiseite zu schieben, was sie vergessen sollte. Nur zu oft hatte sie sich dabei ertappt, wie sie während des Tages von Jungen aus ihrer Kinderzeit träumte.
    Mara rieb nervös an dem Verband, der die verletzte Hand bedeckte. »Mutter meines Herzens, ich bin noch immer eine Jungfrau. Aber ich verstehe sehr gut, was zwischen einem Mann und einer Frau geschieht.« Mit einem gewissen Nachdruck, als wäre sie ungehalten, bildete sie mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand einen Kreis, in den hinein sie den rechten Zeigefinger stieß. Hirten, Bauern und Soldaten benutzten dieses Zeichen, um Unzucht anzudeuten. Wenn es auch nicht obszön war, Sexualität war ein Aspekt des Lebens, dem die Tsuranis unbefangen begegneten, so war ihre Geste doch sehr gewöhnlich und ziemte sich nicht für die Herrin eines großen Hauses.
    Nacoya war jedoch zu weise, um sich derart provozieren zu lassen. »Mistress, ich weiß, daß Ihr mit Eurem Bruder bei den Soldaten und Hirten gespielt habt. Ich

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