Die Auserwaehlte
weiß, daß Ihr gesehen habt, wie die Bullen die Kühe besteigen. Und noch viel mehr.« Die Nähe und Enge des tsuranischen Lebens hatten es unumgänglich gemacht, daß Mara und ihr Bruder viele Male in Hörweite deutlicher Leidenschaft geraten waren. Gelegentlich waren sie sogar in ein Stelldichein zwischen Sklaven oder Dienern geplatzt.
Sie zuckte mit den Achseln, als wäre die Angelegenheit nur von geringer Bedeutung.
»Kind, Ihr versteht vielleicht, was zwischen einem Mann und einer Frau hier vorgeht.« Die Amme tippte sich mit dem ausgestreckten Zeigefinger an den eigenen Kopf, dann deutete sie auf ihr Herz. »Aber Ihr versteht nicht, was hier geschieht oder« – jetzt zeigte sie auf ihre Lenden – »hier. Ich mag zwar alt sein, doch ich erinnere mich noch. Mara-anni, eine Herrscherin ist auch eine Kriegerin. Ihr müßt Euren Körper beherrschen. Ihr müßt lernen, Schmerz zu überwinden.« Die Amme wurde nachdenklich, als alte Erinnerungen zurückkehrten. »Und manchmal ist die Leidenschaft schmerzhafter als jede Schwertstunde.« Das Sonnenlicht stand jetzt tief und fiel durch die Läden; es betonte ihre festen Gesichtszüge, als sie sich wieder auf Mara konzentrierte. »Bis Ihr Euren eigenen Körper kennengelernt habt und jedes seiner Bedürfnisse beherrscht, seid Ihr verletzbar. Eure Stärken und Schwächen sind gleichzeitig die der Acoma. Ein gutaussehender Mann, der Euch süße Worte ins Ohr flüstert, dessen Berührung in Euren Lenden ein Feuer entfacht, vermag Euch ebenso leicht zu zerstören wie der Hamoi Tong.«
Jetzt wurde Mara tiefrot, und ihre Augen blitzten hitzig. »Was schlagt Ihr also vor?«
»Eine Herrscherin muß frei davon sein«, sagte Nacoya. »Nach dem Tod Eurer Mutter unternahm Lord Sezu gewisse Schritte, um sicherzustellen, daß die Bedürfnisse des Fleisches ihn nicht zu dummen Taten veranlassen würden. Die Begierde nach einer Tochter des falschen Hauses hätte die Acoma ebenso vernichten können wie ein verlorener Kampf. Während Ihr im Tempel wart, ließ er Frauen aus der Ried-Welt hierher bringen –«
»Nacoya, solche Frauen waren bereits hier, als ich noch jünger war. Ich erinnere mich daran.« Mara holte ungeduldig Luft und bemerkte an dem schweren Geruch der Akasi, daß jenseits der Fensterläden Sklaven im Garten arbeiteten.
Aber die süßliche Luft schien keine Wirkung auf Nacoya zu haben. »Lord Sezu handelte nicht immer nur für sich, Mara-anni. Manchmal kamen die Frauen auch zu Lanokota, damit er die Dinge zwischen Männern und Frauen verstehen lernte und nicht den Absichten listiger Töchter und den Plänen ihrer Väter zum Opfer fallen würde.«
Der Gedanke, daß ihr Bruder mit solchen Frauen zusammen gewesen war, überwältigte Mara mit unerwarteter Heftigkeit; doch die Nähe der Sklaven zwang sie, sich korrekt zu verhalten. »Also noch einmal, was schlägst du vor?«
»Ich werde nach einem Mann aus der Ried-Welt schicken, der erfahren ist in –«
»Nein!« Mara schnitt ihr das Wort ab. »Ich will davon nichts hören!«
Nacoya beachtete den Einwand ihrer Herrin nicht. »– den verschiedenen Arten der körperlichen Lust. Er wird Euch alles lehren –«
»Ich sagte nein, Nacoya!«
»– was Ihr wissen müßt, damit sanfte Berührungen und süße Worte in der Dunkelheit Euch nicht betören können.«
Mara stand am Rande eines Wutanfalls. »Ich befehle dir, sofort aufzuhören!«
Nacoya hielt ihre nächsten Worte zurück. Die beiden Frauen sahen sich einen langen, schweigsamen Augenblick an, und keine von ihnen rührte sich. Schließlich neigte die alte Amme den Kopf hinab, bis ihre Stirn die Matte berührte, auf der sie kniete – das flehende Zeichen eines Sklaven. »Ich bin beschämt. Ich habe meine Herrin verärgert.«
»Geh! Laß mich allein!«
Die alte Frau stand auf; das Rascheln ihres Gewandes und der steife, alte Rücken spiegelten ihre Mißbilligung wider, als sie aus dem Zimmer verschwand. Mara winkte die Dienerin fort, die jetzt erschien, um weitere Wünsche ihrer Herrin zu erfüllen. Allein und umgeben von den kunstvollen, wunderschön beschriebenen Rollen, die im Namen der Ehre verbargen, was in Wirklichkeit ein grausames und tödliches Geflecht aus Intrigen war, versuchte Mara die Verwirrung zu ordnen, die Nacoyas Vorschlag hinterlassen hatte. Sie fand keinen Namen für die in ihr aufsteigende Furcht, die sie gefangennahm.
Sie schlang die Arme um sich und schluchzte lautlos. Ohne den Trost ihres Bruders und umgeben von Verschwörungen,
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