Die Auserwaehlte
vor ihr stand, den Helm mit dem Federbusch am Gürtel befestigt, und auf eine offene Stelle im Zaun zeigte, die spärlich bekleidete Sklaven bereits wieder reparierten. »Gesetzlose, Mylady. Zehn oder vielleicht ein Dutzend. Sie töteten einen Hirtenjungen, brachen durch den Zaun und trieben einige Needras fort.«
»Wie viele?« Mara bedeutete ihm, ihr aus der Sänfte zu helfen. Das Gras fühlte sich merkwürdig unter den Sandalen an, nachdem sie monatelang in den Grenzen des Tempels gelebt und an den Widerhall der Steine gewöhnt gewesen war; ebenso unerwartet traf sie der Geruch der fruchtbaren Erde und der Khala-Reben, die sich am Zaun entlangrankten. Mara schüttelte die momentane Ablenkung ab und begrüßte Jican; dabei runzelte sie die Stirn, wie ihr Vater es getan hatte, wenn auf den Gütern einmal etwas schiefgegangen war.
Zwar hatte der neue Hadonra wenig Kontakt mit dem früheren Lord der Acoma gehabt, doch dessen Blick war legendär gewesen. Nervös preßte Jican die Schreibtafel an sich und verbeugte sich. »Lady, Ihr habt höchstens drei oder vier Kühe verloren. Ich kann es Euch aber erst mit Sicherheit sagen, wenn wir die umherstreunenden Tiere zusammengetrieben haben.«
Mara mußte sich anstrengen, um das Gebrüll der erregten Tiere und das Pfeifen der Hirten zu übertönen, deren lange Stöcke und Peitschen hörbar durch die Luft zischten, während sie ihre Schützlinge in die Koppel trieben. »Umherstreunende Tiere?«
Diesmal antwortete Keyoke; er war unzufrieden über Jicans Zaghaftigkeit. Seine Stimme paßte eigentlich besser zu einem Schlachtfeld in der barbarischen Welt als zu der zertrampelten Erde einer Needra-Weide. »Die Tiere auf dieser Weide standen kurz vor dem Gebären. Der Geruch des Blutes verwirrte sie, und sie stürzten davon, was wiederum die Hirten alarmierte.« Er hielt inne und konzentrierte seinen Blick auf die entfernten Wälder.
Keyokes Anspannung verstärkte Maras Besorgnis. »Was beunruhigt Euch, Keyoke? Sicherlich nicht der Verlust einiger Kühe und der Mord an einem Sklavenjungen.«
»Nein, Lady.« Er hatte den Blick noch immer auf den Wald gerichtet. Dann schüttelte der alte Soldat den Kopf. »Ich bedaure den Verlust von wertvollem Besitz, aber die Kühe und der Junge sind sicherlich das geringere Problem.« Er hielt inne, als einer der Aufseher etwas rief; die Sklaven mühten sich ab, einen neuen Pfosten aufzustellen. Der Kommandeur offenbarte jetzt seine schlimmsten Befürchtungen. »Seit dieser Hund von Hamoi versuchte, Euch das Leben zu nehmen, sind wir sehr wachsam. Dies waren keine gewöhnlichen Diebe. Der Überfall geschah am hellichten Tag; sie schlugen zu und verschwanden. All das läßt auf eine gute Planung und genaue Kenntnis unserer Patrouillen schließen.«
Mara spürte eisige Furcht in sich aufsteigen, doch sie zwang sich, ruhig zu bleiben. »Spione?« Es wäre dem Lord der Anasati zuzutrauen, durch einen vorgetäuschten Überfall von »Banditen« die Stärke der Acoma in Erfahrung zu bringen.
Keyoke fingerte an seinem Schwert herum. »Ich glaube nicht, Mistress.« Er bewies einmal mehr seinen beinahe unheimlichen Scharfsinn, als er seinen Verdacht begründete: »Die Minwanabi sind niemals so raffiniert, und die Anasati haben so weit südlich keinen Vorposten, von dem sie so schnell einen solchen Angriff hätten organisieren können. Nein, dies scheint das Werk von Soldaten zu sein, und zwar ganz sicherlich von herrenlosen.«
»Die Grauen Krieger?« Mara dachte an die rauhen, clanlosen Männer, die in den Bergen hausten und sich häufig zu Banden zusammenschlössen. Zum jetzigen Zeitpunkt, da die Acoma so wenig Soldaten besaßen, stellten die Grauen Krieger unter der Führung eines klugen Anführers eine ebensolche Gefahr dar wie irgendein finsterer Plan ihrer Feinde.
Keyoke schlug den Staub von seinen Hosenbeinen und betrachtete wieder die Hügel, die jetzt im Schatten der Dämmerung dunkel wurden. »Mit Eurer Erlaubnis möchte ich Kundschafter aussenden. Wenn für diese Plünderung wirklich Graue Krieger verantwortlich sind, so suchten sie etwas zu essen, und folglich müßten Feuerstellen vorhanden sein. Wenn dies jedoch nicht so ist, können wir davon ausgehen, daß die Kunde von unserer Schwäche unseren Feinden schnell zu Ohren kommen wird.«
Er sprach nicht von einem Gegenangriff. Auf eine vorsichtige Weise subtil, wie Nacoya es nicht war, erkannte Mara an seinem Schweigen, daß eine offene Zurschaustellung ihrer Streitkräfte nur zu
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