Die Auserwaehlte
ich Sklave des siegreichen Herrn bin.«
Maras Stimme erhob sich klar über die allgemeine Verwirrung: »Das Gesetz sagt nichts dergleichen!« Stille trat ein, und alle Augen richteten sich auf sie. Eine Mischung aus Gelassenheit und Verärgerung lag auf ihrem Gesicht; dennoch erschien sie den Männern, die seit Monaten oder gar Jahren nichts als die Entbehrung der Wildnis gekannt hatten, wunderschön in ihrem kostbaren Gewand. Mit fester Entschlossenheit fuhr sie fort: »Die Tradition erklärt den Arbeiter zur Kriegsbeute. Der Eroberer entscheidet, wen er als freien Mann schätzt und wer Sklave sein soll. Die Minwanabi sind meine Feinde. Wenn Ihr jetzt also meine Kriegsbeute seid, werde ich über Euren Status bestimmen. Ihr seid frei.«
An diesem Punkt wurde die Stille nahezu erdrückend, wie flirrende Hitzewellen über sonnengebleichten Felsen. Die Männer rutschten unruhig hin und her, die Erschütterung der vertrauten Ordnung verwirrte und verunsicherte sie, denn die Feinheiten und Spitzfindigkeiten des gesellschaftlichen Miteinanders bestimmten das gesamte Leben der Tsurani. Eine Änderung der Grundlagen bedeutete, der Unehre zuzustimmen und so die Auflösung einer Kultur zu riskieren, die seit Jahrhunderten immer gleichen Mustern gefolgt war.
Mara spürte die Verwirrung unter den Männern; sie betrachtete erst die Bauern, auf deren Gesichtern sich eindeutig Hoffnung widerspiegelte, dann die besonders zweifelnden und abgehärteten unter den Grauen Kriegern. Schließlich griff sie auf jene Philosophie zurück, die sie im Tempel Lashimas gelernt hatte. »Die Tradition, nach der wir leben, ist wie der Fluß, der in den Bergen entspringt und hinunter zum Meer fließt. Niemand wird seinen Verlauf dort oben in den Bergen ändern können. Dies zu versuchen hieße, die natürlichen Gesetze zu mißachten. Vielen von Euch ist – wie den Acoma – großes Unglück widerfahren. Daher bitte ich Euch, zusammen mit den Acoma dem Lauf der Tradition eine neue Richtung zu geben – so wie auch ein Sturm manchmal einen Fluß veranlaßt, ein neues Bett zu graben.«
Das Mädchen hielt inne; sie hatte die Lider gesenkt und starrte auf ihre Hände. Dieser Moment war der schwierigste, denn wenn ihr auch nur ein einziger Gesetzloser widersprechen würde, könnte sie die Kontrolle für immer verlieren. Das Schweigen lastete beinahe unerträglich auf ihr, dann band Papewaio wortlos seinen Helm ab und enthüllte das schwarze Band der Verdammten um seine Stirn.
Lujan stieß einen verwunderten Schrei aus. Wie die anderen war er verwirrt über diesen Mann, der zum Tode verurteilt war, aber dennoch eine ehrenhafte Position in der Gefolgschaft einer großen Lady einnahm. Mara war stolz auf Papes Loyalität und die Geste, mit der er zu zeigen versuchte, daß Scham auch etwas anderes sein konnte als das, was die Tradition diktierte. Sie lächelte und legte ihre Hand leicht auf die Schultern ihres Truppenführers. »Dieser Mann dient mir mit Stolz. Wollt Ihr nicht dasselbe tun?« Dann sprach sie zu dem Bauern, der von den Minwanabi vertrieben worden war. »Wenn der Lord, der Euren Herrn bezwang, einen neuen Bauern braucht, laßt ihn nach Euch suchen.« Sie nickte Keyoke und ihren Kriegern kurz zu. »Die Minwanabi werden um Euch kämpfen müssen. Und auf meinem Land werdet Ihr ein freier Mann sein.«
Der Bauer sprang mit einem lauten Freudenschrei auf. »Ihr bietet mir Eure Ehre?«
»Ihr habt meine Ehre«, antwortet Mara, und Keyoke verbeugte sich, um seine Loyalität gegenüber ihrem Befehl zu bekräftigen.
Der Bauer kniete dort nieder, wo er stand, und streckte Mara seine gekreuzten Handgelenke in der uralten Geste unverbrüchlicher Treue entgegen. »Lady, ich bin Euer. Eure Ehre ist auch meine Ehre.« Mit diesen Worten verkündete der Bauer, daß er genauso bereitwillig wie jeder ihrer Krieger sterben würde, um den Namen der Acoma zu verteidigen.
Mara nickte, wie es der Brauch vorschrieb, und Papewaio schlängelte sich durch die Gruppe der Banditen, bis er vor dem Bauern stand. Nach einem alten Ritual legte er ein Seil um die Handgelenke des Mannes, band es scheinbar fest und nahm es dann wieder weg, um zu zeigen, daß der Mann, den sie als Sklave hätte halten können, statt dessen als freier Mann aufgenommen war. Erregtes Gemurmel brach aus, als ein gutes Dutzend weiterer Männer sich um die beiden scharte. In einem Kreis knieten sie um Papewaio und warteten begierig auf Maras Angebot und die damit verbundene Hoffnung auf ein neues
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